Interview: „Die Industrie ist Enabler der Energiewende"

Der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Knill stellt sich den Fragen junger Studierender aus dem Begabtenförderprogramm der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Talentierte und engagierte junge Köpfe sind der Schlüssel für eine starke wirtschaftliche Zukunft Österreichs. Um den Innovationsstandort Österreich langfristig zu stärken, braucht es motivierte und neugierige Talente. Doch welche Fragen beschäftigen junge Menschen in Bezug auf Wirtschaft und Industrie? Das hat Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), im Gespräch mit elf Studierenden herausgefunden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Österreichischen Studienstiftung nutzten die Gelegenheit, gemeinsam mit Georg Knill in die Welt der Wirtschaft einzutauchen und ihm ihre Fragen zu stellen. Das Magazin IV-Position hat einige der Fragen zusammengestellt.

Foto: ÖAW Daniel Hinterramskogler

Wie viel Einfluss sollen Vertreter der Industrie auf die Tagespolitik haben; wie Einfluss ausüben und wie legitimieren Sie diesen?
Georg Knill:
Es ist Teil des demokratischen Prozesses, dass Organisationen und Interessensvertretungen unterschiedlicher Ausrichtung die Anliegen ihrer jeweiligen Mitglieder öffentlich artikulieren. Als Industriellenvereinigung sind wir die Stimme von 5.000 Mitgliedern. Dabei ist uns wichtig, dass wir als unabhängige Interessensvertretung parteipolitisch neutral sind. Wenn die Politik Maßnahmen setzt, die den Wirtschafts- und Industriestandort gefährden, ist es unsere Aufgabe, die Position der Industrie in die Politik zu tragen. Es geht dabei um viele österreichische Arbeitsplätze und in weiterer Folge um unseren Wohlstand in Österreich. Schließlich ist die Industriellenvereinigung eine von vielen Interessensvertretungen, von der Arbeiterkammer (AK) über die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) bis hin zum Bauernbund. Im Gegensatz zu den Pflichtmitgliedschaften der Kammern vertreten wir nur die Interessen der Mitglieder, die sich freiwillig unserer Organisation anschließen.

Foto: IV

Laut dem IEA-Bericht „Electricity 2024“ ist der Strompreis in der EU immer noch doppelt so hoch wie vor dem Krieg und in Europa deutlich höher als im Rest der Welt. Dem Bericht zufolge hat die EU bereits ein Drittel ihrer Aluminiumproduktion verloren. Kann sich die österreichische Industrie von den hohen Strompreisen erholen?
Der Strompreis ist im Vergleich zu den Jahren 2022 bis Mitte 2023 wieder gesunken. Allerdings befindet er sich immer noch auf einem hohen Niveau. Auch wenn wir derzeit einen sinkenden Preistrend bei Strom und Gas beobachten, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass sich die Strom- und Gaspreise weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen werden, deutlich höher als in der Vorkrisenzeit. Somit bleiben diese eine immense Herausforderung für den Industriestandort Österreich und insbesondere für energieintensiven Branchen. Ein Mittel den Strompreisdruck etwas zu lindern wäre die Ausweitung der Strompreiskompensation bis 2030.

Foto: ÖAW Daniel Hinterramskogler

Die Automatisierung, Rationalisierung und Künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt rasant. Was kann die IV unserer Generation bieten, damit wir unsere Zukunft in der Industrie sehen?
Ein Job in der Industrie bietet die Chance, Nachhaltigkeit aktiv mitzugestalten. Die Industrie ist Enabler der Energiewende. Österreich ist international für seine Vorreiterrolle bei Klimaschutz und nachhaltigen Technologien bekannt. Auch die Verdienstmöglichkeiten sind gut. Die Bruttojahresgehälter in der Industrie sind im Schnitt um 25 Prozent höher als in anderen Wirtschaftsbereichen. Insbesondere Frauen in Lehrberufen in der Industrie verdienen besser. Der Einkommensunterschied bis zum 65. Lebensjahr zwischen einer Friseurin und einer Mechatronikerin beträgt rund 900.000 Euro.

Die IV möchte Vollzeitarbeit fördern. Gleichzeitig führen KI und Robotik dazu, dass viele Arbeiten, vor allem in weniger qualifizierten Bereichen, nicht mehr von Menschen ausgeführt werden. Wie sieht die IV diesen scheinbaren Widerspruch?
Es ist mittlerweile bekannt, dass wir einen Fachkräftemangel in allen Branchen haben. Wir rechnen in den nächsten zehn Jahren mit einem Mangel von Arbeits- und Fachkräften von 540.000 Personen. Insofern steht die Forderung nach Anreizen für mehr Vollzeitarbeit nicht im Widerspruch zur technologischen Entwicklung. Damit Vollzeitbeschäftigung für alle im Sinne der Wahlfreiheit möglich ist, muss aber auch die Kinderbetreuung ausgebaut werden. Natürlich können KI und Robotik dazu führen, dass bestimmte einfache Arbeiten nicht mehr von Menschen ausgeführt werden müssen. Es ist aber nicht zu befürchten, dass dadurch viele Arbeitsplätze verloren gehen. Das zeigen auch Studien. Die Arbeitswelt wird sich entsprechend verändern und Menschen werden andere Berufe ausüben. Manche Berufe gibt es heute zum Teil noch gar nicht, sondern werden sich erst im Zuge der Digitalisierung entwickeln. Auf diese Herausforderungen müssen wir auch unser Bildungssystem vorbereiten.

Welche drei wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen würden Sie umsetzen, wenn Sie in der tätig Politik wären?
Wenn ich in der Politik wäre, würde ich die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren priorisieren. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, verstärkt auf marktwirtschaftliche Instrumente wie die Emissionshandelssysteme der EU, beispielsweise ETS und ETS2, zu setzen. Das ETS hat gezeigt, dass diese für den Klimaschutz die effizientesten und zum Teil effektivsten Instrumente sind. Wovon ich jedoch wenig halte, ist eine einseitige Verbotspolitik. Für wichtig halte ich auch Kosten-Nutzen- Analysen einzelner Maßnahmen.

Foto: ÖAW Daniel Hinterramskogler

Welche Möglichkeiten gibt es für junge Menschen in Österreich, sich für die Wirtschaft zu engagieren?
Junge Menschen können als Gründerinnen und Gründer von Startups in das Unternehmertum einsteigen oder einen der vielfältigen Karrierewege in der Industrie beschreiten. Wer Wirtschaftspolitik mitgestalten will, dem kann ich nach dem Studium unser IV-Traineeprogramm ans Herz legen. Das 30-monatige Ausbildungsprogramm bietet intensive Einblicke in die Fachbereiche der IV sowie in nationale und internationale Unternehmen, Institutionen und Organisationen.

Foto: IV