Weltkarte zeigt Handelsverbindungen

Wie positioniert sich Europa als Partner im Welthandel?

Freier Handel: Welche Handelsabkommen sind für die EU und Österreich am aussichtsreichsten, wo wird aktuell verhandelt und welche Partnerschaften stehen unmittelbar vor der Umsetzung?

Die aktuelle Debatte um ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Ländern in Südamerika richtet den Scheinwerfer auf das sonst oft unterbelichtete Thema Freihandel. Tatsächlich ist der Handel mit anderen Ländern das Fundament für Arbeitsplätze, Wohlstand und den Sozialstaat in Österreich. Rund ein Drittel der Waren und Dienstleistungen aus Österreich werden im Ausland verkauft, damit geht jeder vierte Steuer-Euro auf den Export zurück. 1,2 Millionen heimische Arbeitsplätze werden durch Exporte gesichert. Barrierefreier Handel über die Landesgrenzen hinweg ist nicht selbstverständlich: Unternehmen und ihre Mitarbeiter profitieren von Handelspartnerschaften, die Hürden und Barrieren beseitigen oder zumindest senken – etwa im Bereich der Zölle oder bei technischen Normen. Die Europäische Union hat bereits 48 Wirtschaftsabkommen, die auch Handelserleichterungen umfassen, mit insgesamt 78 Staaten in Kraft.

Export-Turbo

Viele erfolgreiche Abkommen zeigen, wie stark die Effekte solcher Partnerschaften sind: Zehn Jahre Handelspakt zwischen der EU und Korea haben dem bilateralen Handel von 2011 bis 2021 ein Plus von 71 Prozent beschert; Österreichs Exporte nach Korea sind seit Inkrafttreten bis 2022 sogar um 147,3 Prozent gestiegen, während die Steigerung der Exporte weltweit im gleichen Zeitraum bei 77,5 Prozent lag.

Die Bilanz des Abkommens zwischen der EU und Kanada, CETA, zeigt nicht nur, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist – auch die Sorgen der Kritiker sind nicht (!) eingetreten. Weder ist kritische Infrastruktur in die Hände ausländischer Privatinvestoren geraten noch wurde der Markt in Europa mit Fleisch eingedeckt, das nicht den hohen europäischen Standards genügt. Dafür sind die Beschäftigungseffekte und ökonomischen Auswirkungen deutlich: Die EU-Exporte nach Kanada sind seit Beginn der Anwendung von CETA, 2017, bis 2021 um 26 Prozent gestiegen. 70.000 Arbeitsplätze wurden dadurch laut EU-Kommission geschaffen. Österreichs Exporte nach Kanada sind durch CETA von 2017 bis 2022 um 75,3 Prozent gestiegen.

Und nicht zuletzt hilft ein Blick auf den europäischen Binnenmarkt, um sich die Vorteile des Abbaus von Handelshemmnissen vor Augen zu führen: Seit Österreichs EU-Beitritt haben sich die heimischen Exporte auf 194,1 Milliarden Euro 2022 mehr als vervierfacht – jene der Landwirtschaft (inkl. Lebensmittelverarbeitung) sogar verneunfacht. „Angesichts der Neuordnung globaler geopolitischer Machtverhältnisse sowie des Ukrainekriegs und diverser Konflikte in der europäischen Nachbarschaft ist jetzt der richtige Moment, bestehende Abkommen mit befreundeten Demokratien zu stärken und auf die Suche nach klugen neuen Partnerschaften zu gehen“, so IV-Präsident Georg Knill.

Derzeit verhandelt die EU unter anderem mit Australien, Indonesien und Indien. Nicht immer sind diese Verhandlungen einfach; bei Indien spießt es sich bisher unter anderem am Klimaschutz. Die Verhandlungen mit Mexiko (Modernisierung des bestehenden Abkommens) und Neuseeland wurden bereits abgeschlossen, die Abkommen aber noch nicht umgesetzt. Ähnlich verhält es sich mit einem der wichtigsten Abkommen, jenem mit Mercosur (Wirtschaftsraum Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay).

Mercosur: Handel und Klimaschutz

Bereits 2019 gab es eine erste Einigung auf ein Assoziierungsabkommen mit Mercosur, seither zieht sich die Umsetzung – vor allem aufgrund des Widerstands einzelner EU-Länder, zu denen auch Österreich gehört. Die Mercosur-Staaten entsprechen zusammengerechnet der zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt und ein Abkommen mit der EU würde einen der größten Freihandelsräume weltweit bilden. „Es ist gleich aus mehreren Gründen jetzt eine historische Chance, dieses Abkommen zu einem Abschluss zu bringen: Einerseits gibt es in Brasilien eine neue Führung, die in Klimaschutzfragen offener und kooperativer ist, andererseits wäre die EU der erste Handelspartner, der mit den Mercosur-Staaten ein Handelsabkommen abschließt. Das würde unseren Exporteuren einen wichtigen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, so IV-Präsident Knill. Das Abkommen könnte laut einer Analyse der London School of Economics and Political Science binnen zwölf Jahren zu einer Steigerung europäischer Exporte in den Mercosur-Raum um bis zu 68 Prozent führen, bei Industriegütern sogar bis zu 94 %.

Das Abkommen soll nicht nur die Märkte öffnen, es geht auch um eine verstärkte politische Kooperation, etwa in Menschenrechts-, Bildungs-, Migrations- und Umweltschutzfragen. Beide Vertragsparteien verpflichten sich im Abkommen explizit dazu, Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards nicht zu senken. Zudem müssen sie das Pariser Klimaabkommen effektiv umsetzen, das unter anderem Brasilien verpflichtet, verstärkt gegen illegale Rodungen im Regenwald vorzugehen. „Österreichische Unternehmen exportieren Klimaschutztechnologie nach höchsten Standards und hätten durch ein Abkommen einen besseren Zugang zu den Märkten in Südamerika. Gleichzeitig ist eine Partnerschaft mit Mercosur auch eine Chance für Europa, sich bei Technologien für die Energiewende nicht in eine Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen zu begeben“, sagt Knill.

Handelspakt-Hotspots für Europa

USA

  • Importe aus den USA nach AT: 7,168 Mrd. Euro (+25,8 % im Vergleich zum Vorjahr)
  • Exporte in die USA aus AT: 12,915 Mrd. Euro (+16,3 % im Vergleich zum Vorjahr)

Obwohl die USA für Europa einer der wichtigsten Märkte sind, gibt es bisher kein Freihandels- und Investitionsabkommen. Aus Sicht der IV sollten rasch Gespräche gestartet werden. Die USA sind nach Deutschland und Italien der drittwichtigste Warenexportmarkt für Österreich und nach Deutschland und Tschechien auch die drittwichtigste Destination für heimische Direktinvestitionen. Österreichische Unternehmen sichern rund 60.000 Arbeitsplätze in den USA und 250 der 800 Niederlassungen vor Ort haben dort eine aktive Produktion.

Mexiko

  • Importe aus Mexiko nach AT: 646 Mio. Euro (+ 64,9 % im Vergleich zum Vorjahr)
  • Exporte nach Mexiko aus AT: 1,681 Mrd. Euro (+ 30,7 % im Vergleich zum Vorjahr)

Mexiko ist einer der am schnellsten wachsenden Überseemärkte für Österreich und der wichtigste Absatzmarkt für österreichische Produkte in Lateinamerika. Rund 100 österreichische Unternehmen sind in Mexiko investiert und sichern etwa 8.000 Arbeitsplätze vor Ort. Eine Modernisierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Mexiko steht vor der Umsetzung.

Mercosur

  • Importe aus Mercosur nach AT: 689,1 Mio. Euro (+43,9 % im Vergleich zum Vorjahr)
  • Exporte nach Mercosur aus AT: 1,34 Mrd. Euro (+44 % im Vergleich zum Vorjahr)

Der Mercosur-Raum umfasst Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay und ist nicht nur als Zielmarkt spannend, sondern auch als Quelle für wichtige Rohstoffe für die Energiewende. Mehr als 1.400 österreichische Unternehmen sind in den Mercosur- Staaten aktiv. EU-Exporte nach Mercosur sichern 32.000 Arbeitsplätze in Österreich. Der Mercosur- Block liegt auf Platz 25 als Exportdestination österreichischer Produkte.

Australien

  • Importe aus Australien nach AT: 251 Mio. Euro (+96,8 % im Vergleich zum Vorjahr)
  • Exporte nach Australien aus AT: 1,243 Mrd. Euro (+12,3 % im Vergleich zum Vorjahr)

Trotz sehr überschaubarer Lieferungen von Australien nach Österreich ist „Down Under“ einer der wichtigsten Übersee-Exportmärkte. Aktuell gibt es dort rund 140 Niederlassungen österreichischer Firmen. Die Verhandlungen für ein Handelsabkommen zwischen der EU und Australien sollen dem Vernehmen nach heuer noch zu einem Abschluss kommen.

Neuseeland       

  • Importe aus Neuseeland: 45 Mio. Euro (+27,7% im Vergleich zum Vorjahr)
  • Exporte nach Neuseeland: 215 Mio. Euro (+17,2% im Vergleich zum Vorjahr) 

Für Österreich ist Neuseeland ein stabiler, aber kein tragender Absatzmarkt. Mit rund 30 Standorten, überwiegend tätig in Vertriebs- und Serviceaktivitäten, ist die Präsenz der österreichischen Wirtschaft in Neuseeland überschaubar. Ab 2023 soll das in Verhandlungen stehende Freihandelsabkommen EU-Neuseeland Erleichterungen bringen.

Dieser Text erschien zuerst als Coverstory in der Aprilausgabe des Magazins iv-positionen.