Kommentar: Jetzt neue Abhängigkeiten verhindern!

Die geopolitischen Verschiebungen durch den Ukrainekrieg sollten in Europa längst die Alarmglocken läuten lassen. Neue Chancen im Welthandel müssen wir jetzt nutzen, wenn wir nicht in die nächste Abhängigkeit schlittern wollen.

Der Krieg, mit dem Russland die Ukraine überzieht und damit unermessliches menschliches Leid auslöst, ist in erster Linie eine humanitäre Katastrophe. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass sich rasant globale Machtverhältnisse verschieben und sich neue Allianzen bilden. Rund um uns verändert sich die Welt im Schnelltempo. Österreich und die EU sind keine abgeschottete Insel, ganz im Gegenteil: Wir sind die, die die wirtschaftlichen Auswirkungen am unmittelbarsten spüren und spüren werden. Neben dem Krieg in Europa sind wir auch in unserer Nachbarschaft, beispielsweise im Nahen Osten und Nordafrika, von Instabilität umgeben. Wir müssen den Blick in die Ferne schärfen, wenn es um zukunftsfitte globale Partnerschaften geht. China springt als Partner in vielen Bereichen gerne ein – sei es bei Rohstoffen für die Energiewende oder bei Stoffen für die Medikamentenproduktion.

Man muss kein Forscher und Aufdecker sein, um hier die nächsten Gefahren einer neuen Abhängigkeit erkennen zu können. Spätestens seitdem klar ist, dass China im Ukrainekrieg zwar (noch) keine Waffen liefert, sich tendenziell aber auf der Seite Russlands sieht, das es als Verbündeten gegen den demokratischen „Westen“ ansieht, sollten alle Alarmglocken läuten. Europa würde gut daran tun, jetzt bestehende Partnerschaften mit befreundeten Demokratien zu stärken und sich zusätzliche Verbündete zu suchen.

Spätestens in ein paar Jahren stehen wir sonst wieder da und beklagen wortreich, wie wichtig es gewesen wäre, die Quellen und Lieferanten kritischer Rohstoffe und Komponenten zu diversifizieren. Möglichkeiten und Chancen dazu gibt es für Österreich und die EU einige, wie ein Blick auf die Weltkarte der Verhandlungen zeigt. Eine der größten Chancen steckt in der Mercosur- Region, wo sich durch den Machtwechsel in Brasilien eine historische Chance ergibt. Es ist angesichts der geopolitischen Gefahrenlage, in der wir uns befinden, absolut unverständlich, dass in Österreich in diesem Punkt völlig undifferenziert und platt mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten gegen ein faires Abkommen agitiert wird und damit die handelsdiplomatischen Bemühungen der EU behindert werden. Abgesehen davon, dass sich Österreich damit zunehmend in die Isolation begibt, zur Erinnerung: Österreichs Wohlstand fußt auf dem Handel mit anderen Ländern. Jeder vierte Steuer-Euro wird im Export erwirtschaftet, der damit auch eine wesentliche Säule des Sozialstaats ist.

Dieser Text erschien zuerst als Leitartikel in der Aprilausgabe des Magazins iv-positionen.