Der Einbruch der Industrie in den vergangenen zweieinhalb Jahren hat die Politik offensichtlich wachgerüttelt: 2025 rückt das Rückgrat der Wirtschaft in vielen europäischen Industrieländern ganz oben auf die Agenda. Die EU-Kommission hat mit dem „Clean Industrial Deal“ den Takt vorgegeben und zielt mit diversen Aktionsplänen im Detail auf einzelne wichtige Industriezweige ab; erste Bürokratiebremsen werden betätigt. Aber auch in den Mitgliedsländern tut sich etwas: Deutschland setzt vor allem auf die Rüstungsindustrie und kurbelt mit einer Infrastruktur-Initiative den Bausektor an. In Österreich muss die kommenden zwei Jahre eisern gespart werden – bis Jahresende soll eine umfassende eigene Industriestrategie fertig entwickelt sein.
Dringend erwarteter Plan
Aufzuholen gibt es viel: In den vergangenen zwei Jahren sind in Österreich sieben Prozent an industrieller Wertschöpfung verloren gegangen. Seit dreieinhalb Jahren melden Industrieunternehmen im Rahmen des Konjunkturbarometers der Industriellenvereinigung bei der aktuellen Geschäftslage keine Aufwärtsbewegung. Der Ausblick auf das erste Halbjahr 2025 wird von den Unternehmen zwar nicht mehr so negativ beurteilt wie noch ein Quartal davor, aber auch hier verharrt der Wert weiterhin unter null. Heuer dürfte ein weiteres schwieriges Jahr bevorstehen – Wifo und IHS gehen in ihrer jüngsten Konjunkturprognose von einem dritten Rezessionsjahr aus. Es ist die längste Rezession der Zweiten Republik und der stärkste wirtschaftliche Rückgang in der EU – und es wird noch ein wenig dauern, bis die zu erwartenden Konjunkturimpulse aus dem wirtschaftlichen Umfeld Österreichs hierzulande greifen. Die neue Bundesregierung hat bereits in der Präambel des Regierungsprogramms ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Österreich formuliert.
Positiv sieht die Industriellenvereinigung auch die Erarbeitung einer Fachkräftestrategie, mit drei Ansätzen: Diese Maßnahmen sind richtig und wichtig, um den Fachkräftemangel einzudämmen. Bedauerlicherweise sind Anreize für mehr Leistung sowie längeres Arbeiten aktuell noch nicht vorgesehen; nichtsdestotrotz wird es auch hier entsprechende Maßnahmen brauchen, um nachhaltig und weiterhin erfolgreich zu sein, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Schnellere Verfahren, günstigere Energie, Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung
Teile der Industriestrategie werden jedenfalls eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und weitere Maßnahmen zur Senkung der hohen Energiekosten für Unternehmen sein. Im Energiebereich wurden erste Schritte bereits auf den Weg gebracht: Abschreibemöglichkeiten für Investitionen in das Netz sollen die Netzkosten senken, und damit auch die Kosten für Unternehmen. Mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) und dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) kommen zwei lang erwartete Gesetze endlich zum Beschluss. Ab 2027 ist die Senkung der Lohnnebenkosten angekündigt. Der klare Pfad: 3,7 Prozent und damit ein Absenken auf deutsches Niveau, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer Mitte März in einem Interview. Bis dahin muss gespart werden, und zwar länger als gedacht: Von bis zu zwölf Milliarden Euro im laufenden Jahr war zuletzt die Rede – ein EU-Defizitverfahren scheint mittlerweile unumgänglich. Positiv sind jedenfalls das Bekenntnis zur Forschungsprämie und Mehrausgaben für Forschung und Entwicklung.
Deutsche Pläne und Finanzpaket
In Deutschland formiert sich derzeit eine Regierung aus CDU/CSU und SPD, und wie vor Kurzem in Österreich gehen die Regierungsverhandlungen schleppend; Knackpunkte sind vor allem Steuerentlastungen und Migration. Mittlerweile haben 16 Arbeitsgruppen intern Ergebnisse vorgelegt, die strittigen Punkte werden auf Ebene der Steuerungsgruppe weiterverhandelt. Grundlage bildet ein elfseitiges Papier, auf das sich die Parteien in der Sondierungsphase verständigt haben. Darin ist beispielsweise von Anreizen für unternehmerische Investitionen die Rede, und von einer Unternehmenssteuer- und Einkommensteuerreform, die sich in den weiteren Verhandlungen mit der SPD als schwieriger Punkt entpuppt hat. Bei Energiepreisen sollen Unternehmen auch kurzfristig entlastet werden, vor allem durch Senkungen von Stromsteuer und Netzgebühren. Die Strompreiskompensation soll auf weitere energieintensive Branchen ausgeweitet werden. In Österreich ist die Strompreiskompensation bereits 2022 ausgelaufen und harrt seither ihrer Verlängerung. Strategisch wichtige Branchen sollen in Deutschland gehalten bzw. neu angesiedelt werden; für den Automobilstandort hat man sich Technologieoffenheit vorgenommen. Die Koalitionsverhandler wollen sich zudem für Freihandelsabkommen wie mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten starkmachen und neue Handelsabkommen, etwa mit den USA, anstreben. Zum Thema Bürokratie will man Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten rückbauen und die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten reduzieren. Können die Versprechen gehalten werden, wäre das für den deutschen Wirtschaftsstandort eine gute Nachricht. Auch von dem noch im „alten“ Bundestag durchgebrachten Finanzpaket, das insgesamt mehr als 1.000 Milliarden Euro an Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur bringt, sind deutliche Konjunkturimpulse zu erwarten – auch für Österreich, wenn auch voraussichtlich erst ab 2026.
Die „Action Plans“ der EU
Unterstützt werden die europäischen Industrieländer von der Europäischen Kommission, die heuer gleich mehrere „Action Plans“ für die Industrie auf den Weg bringt. Im Februar konnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den lange erwarteten „Clean Industrial Deal“ vorlegen. Dabei handelt es sich um die große Vision für den europäischen Standort. Diese soll entlang von insgesamt sechs zentralen Herausforderungen entwickelt werden: • Energiesicherheit und leistbare Energiepreise
• Schaffung von Leitmärkten
• Finanzierung
• Recycling von und Zugang zu kritischen Rohstoffen
• Fokus auf Qualifizierung und Skills
• Zugang zu globalen Märkten und Förderung von internationalen Partnerschaften
Die ersten Schritte, die die Kommission setzt, sind ein Paket zur Entbürokratisierung („Omnibus“) im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung und ein „Action Plan“ für niedrigere Energiepreise. Demnächst soll auch ein neues System für staatliche Beihilfen geschaffen und die Vergaberichtlinie hin zu einem „Buy European“ weiterentwickelt werden. Den bereits auf den Weg gebrachten „Action Plans“ für die Auto- und die Stahlindustrie sollen weitere mit der Industrie akkordierte Strategien für Schlüsselbranchen folgen. Bisher handelt es sich bei den EU-Plänen jedoch um unverbindliche Guidelines; konkrete Gesetzesinitiativen sollen laut Ankündigung nur im Ausnahmefall geplant sein. Es ist klar, dass ausschlaggebende Verbesserungen nur möglich sein werden, wenn sie einheitlich und verbindlich umgesetzt werden. Als Industriellenvereinigung werden wir die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen, die über die nächsten zwei Jahre hinweg geplant sind, intensiv und aktiv begleiten, so Neumayer.