EU-Forschungsrahmenprogramm – quo vadis?

Expertenmeinung von IRIS FISCHL-RUHLAND

In der europäischen Forschungspolitik stehen zentrale Weichenstellungen an: Unter anderem wird Mitte des Jahres der erste Vorschlag der Europäischen Kommission zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und zum nächsten EU-Forschungsrahmenprogramm (FRP), „FP10“, erwartet. Im vergangenen Jahr wurden bereits erste wesentliche Pflöcke für die Konzeption und Diskussion zum FRP eingeschlagen. Dabei fokussieren die Bezüge und Empfehlungen zu FP10 auf die jetzigen Hauptprogramme der 1. Säule und 3. Säule (ERC-Grundlagenforschung, EIC-Innovation) des FRP sowie auf disruptive Innovationen – wie etwa in den Leitlinien der EU-Kommissionspräsidentin, dem Draghi-Bericht sowie zuletzt auch im Berichtsentwurf des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie des EU-Parlaments (ITRE). Kritisch ist, dass Überlegungen zur Zukunft der kollaborativen F&E im FRP im Sinne der jetzigen 2. Säule bisher viel zu vage bleiben, wenn auch auf die grundsätzliche Relevanz dieses Herzstücks des FRP vereinzelt eingegangen wird. Diskussionen zu einem etwaigen Competitiveness Funds, unter dem im nächsten MFR sämtliche FTI-Programme budgetiert werden könnten, bringen zusätzliche Unsicherheiten mit sich.

Die IV setzt sich gemeinsam mit Mitstreitern auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin massiv dafür ein, dass das künftige FRP die angewandte kollaborative F&E als wesentlichen Teil enthält und entsprechend der jetzigen 2. Säule mit mindestens 60 Prozent der Mittel wie bisher ausstattet. Hier herrscht hoher Handlungsbedarf: Der Einbezug der wichtigen Übersetzungsrolle der Industrie, in Ökosystemen mit starken Partnern wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen, für die erfolgreiche Anwendung und den Markt ist essenziell für ein zukunftsfähiges Europa! Demnächst werden zahlreiche Abänderungsanträge zum ITRE-Berichtsentwurf im Ausschuss und voraussichtlich im März im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt, der unter anderem eine Budgetempfehlung enthält, dass die Hälfte des FP10-Budgets zu ERC und EIC gehen soll, was eine klare Reduktion der 2. Säule von rund 59 Prozent auf 34 Prozent des Budgets im Vergleich zum Status quo bedeuten würde.

61 Prozent der Rückflüsse an österreichische Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen kommen derzeit aus der 2. Säule. Österreich muss seinen Erfolgsweg fortsetzen und sich für ein starkes zusammenhängendes Forschungsrahmenprogramm mit einem Budget von mindestens 200 Milliarden Euro einsetzen, das angewandte kollaborative F&E mit Fokus auf Schlüsseltechnologien als zentralen Teil enthält.