Sanierung und Wachstum

Österreich steht heuer vor der heiklen Aufgabe, das stark belastete Budget nachhaltig zu sanieren und gleichzeitig die richtigen Impulse zu setzen, um das hauchzarte Wirtschaftswachstum nicht wieder auszubremsen.

Die Stimmung in der Industrie könnte kaum schlechter sein: 2024 gingen 4,5 Prozent an Wertschöpfung verloren und die Arbeitslosigkeit stieg um 17,8 Prozent; die Industrie steckt im dritten Rezessionsjahr. Im Dezember ist die Beurteilung der aktuellen Lage und auch der unmittelbaren Zukunft so schlecht wie seit der Coronazeit nicht mehr. Der entsprechende Index des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo brach auf minus 27,3 Punkte für die aktuelle Lage in der Sachgütererzeugung und minus 20,8 Zähler für die Erwartungen ein. Die Nulllinie trennt positive von negativen Einschätzungen; und zum Vergleich: Gesamtwirtschaftlich lag der Index im Dezember bei minus 6,0 bzw. minus 6,6 Punkten. Und auch das neue Jahr startet mit trüben Aussichten.

Die vergangenen Jahre waren von externen Krisen und deren Bewältigung geprägt. Es gäbe allerdings für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich global betrachtet Wachstumschancen – die Weltwirtschaft wächst mit rund drei Prozent und viele für Österreich spannende Märkte entwickeln sich dynamisch. Doch Österreich kann an diesen Wachstumschancen nicht teilhaben.

„Wir haben uns schlichtweg aus dem Markt gepreist“, sagt IV-Präsident Georg Knill. „Wir haben in den letzten zwei Jahren jeden 15. Wertschöpfungseuro in der heimischen Industrie verloren – das ist alarmierend“. Die Arbeitskosten sind durch eine Steigerung von 32 Prozent der Lohnstückkosten seit 2021 massiv gestiegen. Die Energiepreise für Industriekunden liegen nicht nur über dem EU-Schnitt, sondern auch beim Zwei- bis Dreifachen dessen, was produzierende Unternehmen beispielsweise in den USA bezahlen müssen. Diese hohen Kosten erschweren es Unternehmen, am Weltmarkt kompetitiv bleiben zu können. Das führt dazu, dass Produktionen an andere Standorte verlegt werden und auch Investitionen anderenorts stattfinden. Gleichzeitig drücken die vielen Monate politischer Unklarheit und der hohe Konsolidierungsbedarf des Bundesbudgets auf das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort.

Wachstum hängt von den Bedingungen ab

Wirtschaftsforschungsinstitute haben für 2025 ein moderates Wachstum von rund einem halben Prozent prognostiziert. Dieser vorsichtige Optimismus ist stark von internen und externen Rahmenbedingungen abhängig. Einerseits geht es um die Frage, welcher Maßnahmenmix bei der Budgetkonsolidierung angewandt wird. Österreich hat bereits sehr hohe Steuereinnahmen – bei der Abgabenquote lag Österreich 2023 mit 43,5 Prozent auf Platz vier in der Europäischen Union. In den vergangenen Jahren stiegen jedoch – teilweise krisenbedingt – die Staatsausgaben auf ein neues Rekordniveau. „Eine nachhaltige Konsolidierung darf nicht durch Steuererhöhungen erfolgen, sondern muss ausgabenseitig und intelligent umgesetzt werden“, sagt IV-Präsident Georg Knill. Der Plan, den FPÖ und ÖVP nach Brüssel gemeldet haben, geht bereits in diese Richtung: Von dem noch heuer einzusparenden Volumen von 6,4 Milliarden Euro soll rund die Hälfte bei Förderungen eingespart werden, 1,1 Milliarden Euro bei den Ministerien; und der Rest durch Effizienzsteigerungen und Lückenschlüsse im Steuersystem. „Nur weniger auszugeben wird jedoch nicht reichen – das ist zu kurz gedacht und verkennt weitere anderweitige Konsolidierungspotenziale, etwa Effizienzsteigerungen und strukturelle Veränderungen“, so der IV-Präsident.

Nach dem Vorbild des „schwedischen Modells“ können in bestimmten Bereichen nominale Kostensteigerungen ausschließlich durch Effizienzgewinne ausgeglichen werden, ohne dabei das Leistungsniveau zu beeinträchtigen. Beispiele dafür sind die Verlagerung von stationären Leistungen im Gesundheitsbereich in Ambulanzen oder im Bildungssektor eine Reduktion der Dokumentationspflichten für Lehrer. Schließlich müssen so schnell wie möglich auch jene unabdingbaren Reformen angegangen werden, die erst mittel- und langfristig Effekte haben werden. Das betrifft Strukturreformen, wie beispielsweise in den Bereichen der Pensionen, der Verwaltung oder auch des Föderalismus.

„Die Konsolidierung des Bundesbudgets ist kein Selbstzweck, sondern ein zentraler Baustein für eine stabile, vertrauenswürdige und wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik. Durch eine intelligente ausgabenseitige Konsolidierung kann der Staat nicht nur seine finanzielle Stabilität sichern, sondern auch die Rahmenbedingungen schaffen, die Unternehmen und Bürger brauchen, um zu wachsen und zu investieren“, betont IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Unternehmen entlasten ohne Budgetbelastung

Unternehmen zu entlasten, ohne dabei das Budget zusätzlich zu belasten, kann generell über den Abbau bürokratischer Auflagen erfolgen. Die Bürokratiekosten in Österreich belaufen sich auf zehn bis 15 Milliarden Euro, was 2,6 bis 3,8 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Österreichische Unternehmen geben im Durchschnitt 2,5 Prozent ihrer Umsatzerlöse für die Einhaltung bürokratischer Vorschriften aus – Geld, das gut für Investitionen und Innovationen ausgegeben werden könnte. Ein Bürokratiekostenindex und in weiterer Folge auch eine gesetzliche Verpflichtung zum Abbau bürokratischer Auflagen könnte Fortschritte sichtbar machen und Unternehmen erheblich entlasten. Aktuell liegt Österreich in dem von IV und Economica entwickelten Bürokratiekostenindex (BKI) im EU-Vergleich auf Platz elf, mit großem Abstand zu den Spitzenreitern in Skandinavien. Österreich liegt bei keinem der analysierten Indikatoren in den Top Ten der EU. In essenziellen Bereichen wie Unternehmensgründungen oder Steuererklärungen gehört das Land sogar zu den Schlusslichtern. Abhilfe könnte auch ein Deregulierungsgesetz ähnlich dem Deregulierungsgrundsätzegesetz, das 2020 ausgelaufen ist, schaffen. Dadurch könnten Regelungen wie Sunset-Klauseln zur Evaluierung neuer Gesetze oder „One in, two out“-Bestimmungen festgelegt werden.

US-Politik wird entscheidend sein

Entscheidend für das Wirtschaftswachstum in Österreich und Europa wird auch die Politik sein, die von Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident zu erwarten ist. Seine angekündigten „America First“-Maßnahmen könnten zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen führen. „Bis 2028 könnte die EU durch Trumps Maßnahmen kumulative BIP-Verluste von rund 420 Milliarden Euro erleiden, während die Verluste in den USA moderat blieben. Offene Volkswirtschaften wie Deutschland und Österreich wären besonders stark betroffen“, warnt Knill. Trumps Ankündigungen treffen Europa genau dort, wo die Schwächen liegen: Energiepreise („Drill, baby, drill!“), hohe Abgabenlast (Trump: Senkung der Körperschaftsteuer) und hohe bürokratische Last (Elon Musk als Deregulierungsminister). Vor diesem Hintergrund müsse sich die neue Bundesregierung auf eine starke Außenpolitik und eine gestaltende Stimme in der Europäischen Union konzentrieren, sagt Knill: „Österreich lebt vom Export – wir verdienen sechs von zehn Euro im Ausland. Das muss sich auch im Koalitionsprogramm widerspiegeln“.

Die USA sind nach wie vor ein unverzichtbarer Partner und Verbündeter für Europa und Österreich. Es ist daher für die exportorientierte Industrie unerlässlich, die Partnerschaft mit den USA auf eine neue, ausgewogene Basis zu stellen. „Daher ist es auch wichtig, auf die US-Regierung zuzugehen, die transatlantischen Beziehungen proaktiv zu gestalten, an der Lösung bestehender Probleme zu arbeiten und gleichzeitig die eigenen europäischen Interessen klar zu vertreten“, meint Neumayer.

„Wir starten von einer schwierigen Ausgangslage. Es braucht entschlossene Reformen, um Österreichs Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen“, erklärt IV-Präsident Georg Knill. „Klar ist: Es braucht Entschlossenheit, Mut und kluge Köpfe, um die Herausforderungen, vor denen der Industrie- und Wirtschaftsstandort steht, erfolgreich zu meistern und ein weiteres Rezessionsjahr abzuwenden“, so Neumayer abschließend.

Foto: IV