Expertenmeinung von JUDITH OBERMAYR-SCHREIBER
Die gute Nachricht zuerst: Kurz vor Ende des Jahres beschloss der Bundestag in Deutschland eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), womit die deutsche Gasspeicherumlage nicht mehr an den Grenzübergabepunkten eingehoben wird. Ab Jahreswechsel wird die Umlage somit nur mehr bei Entnahmen innerhalb Deutschlands eingehoben. Seit ihrer Einführung 2022 zählte die Industriellenvereinigung zu den schärfsten Kritikern der unionsrechtswidrigen deutschen Gasspeicherumlage, weil sie den Handel innerhalb des Binnenmarkts beschränkt und die angestrebte Diversifizierung der Gasimportrouten nach Österreich als „Quasi-Zoll“ künstlich verteuert. Ein wichtiger und längst überfälliger Schritt ist damit für den Industriestandort Österreich und ganz Mitteleuropa gelungen – die konsequente Kritik der IV und anderer Verbündeter hat sich ausgezahlt.
Dass die Abschaffung der Gasspeicherumlage noch kurz vor Jahresende beschlossen wurde, ist besonders vor dem Hintergrund des Stopps des Gastransits durch die Ukraine von essenzieller Bedeutung: Hätte Österreich seine Importe aus Russland über die Ukraine nach Baumgarten gänzlich über Lieferungen aus Deutschland ersetzt, wären durch die Gasspeicherumlage Kosten von rund einer Million Euro pro Tag angefallen.
Nun fließt seit 1. Jänner 2025 kein Gas mehr durch die Ukraine nach Österreich bzw. Mitteleuropa, insbesondere die Slowakei. Trotz bestehender Vorkehrungsmaßnahmen im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Diversifizierung stellt der Wegfall dieser substanziellen Mengen durch den mit Abstand größten Gas-Entry-Punkt Österreichs den Standort Österreich bzw. Mitteleuropa vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen.
Bereits seit vergangenem Herbst stiegen die Gaspreise mit dem Heranrücken des Auslaufens der Gastransitverträge auf ein sehr hohes Niveau; derzeit pendeln sie sich bei rund 50 Euro pro Megawattstunde ein, was den Standortfaktor Energie insgesamt massiv verteuert und letztlich auch die Inflation antreibt. Die Gaspreise liegen damit vier- bis fünfmal höher als in den USA – mit gravierenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kommt, dass wir in Österreich bzw. Europa einen vergleichsweise kalten Winter erleben und sich die Gasspeicher deutlich schneller entleeren als etwa im Vorjahr. Die Wiederauffüllung in der Einspeichersaison während der warmen Jahreszeit wird dadurch erschwert bzw. verteuert, dass sich die prognostizierten Gaspreise über den Sommer ebenfalls auf sehr hohem Niveau befinden.