"Die Bevölkerung ist weiter als die Politik“: Das ist für IV-Präsident Georg Knill die zentrale Erkenntnis aus der neuen Kapitalmarkt-Umfrage von Industriellenvereinigung und Aktienforum. Die von Meinungsforscher Peter Hajek (siehe Interview) durchgeführte Studie macht deutlich, dass sich Umgang und Wissen zum Thema Kapitalmarkt auch durch die Corona-Krise deutlich geändert haben – und Industrie und Bevölkerung bei Anreizen an einem Strang ziehen.
Wichtigstes Ergebnis der Studie: Das Interesse der Österreicherinnen und Österreicher für Aktien, Anleihen, Investmentfonds oder Wertpapiere ist seit 2016 signifikant gestiegen. 29 Prozent der Menschen, die bisher keine dieser Geldanlagen besitzen, interessieren sich nun für einen Kauf. Zum Vergleich: 2016 waren es nur 7 Prozent. Bei jungen Menschen unter 30 Jahren haben sogar zwei von drei ein prinzipielles Interesse an diesen Anlageformen, berichtet Meinungsforscher Peter Hajek ein auffälliges Studienergebnis. Knill: „Die Industrie steht hier an der Seite der jungen Menschen, deren Interesse für die Chancen und Risiken des Kapitalmarkts überdurchschnittlich hoch ist.“ Das eigene Wissen über den Kapitalmarkt wird zwar als gering eingeschätzt, aber es steigt. Ein Viertel (24%) der Befragten kennt sich aktuell gut oder eher gut mit Veranlagungen an der Börse aus, 2017 war das nur jeder Fünfte (21%). Die Menschen wünschen sich jedenfalls mehr Wissen über den Kapitalmarkt: 74 Prozent fordern daher, dass dafür bei der Wirtschafts- und Finanzbildung in den Schullehrplänen angesetzt werden soll.
Die Altersvorsorge ist für die Österreicherinnen und Österreicher ein wichtiges Thema – dem sie allerdings mit realistischen Erwartungen begegnen: Drei von fünf Befragten (59%) befürchten, dass sie mit einer staatlichen Pension nicht gut auskommen werden. Nur jeder dritte Unter-30-Jährige gibt an, privat für die Pension bereits vorgesorgt zu haben. Bei den 30- bis 50-Jährigen tut dies mehr als jeder Zweite (54%). Klar ist: Es braucht mehr Anreize für die Vorsorge. Drei von vier der Befragten (76%) fordern daher steuerliche Anreize auf Veranlagungen zur privaten Pensionsvorsorge. Ebenso stehen drei von vier Befragten (74%) einer steuerlichen Begünstigung klimafreundlicher Investitionen positiv gegenüber.
Das Interesse der Menschen an Aktien, Anleihen und Investmentfonds steigt stark. Sie bei der Umsetzung durch Anreize nicht zu unterstützen, wäre unsozial."
Für IV-Präsident Georg Knill sind die Umfrageergebnisse klarer Beleg dafür, dass die geplante Wiedereinführung der Behaltefrist bei der KESt auch rasch und ohne ideologische Vorurteile umgesetzt werden muss. „Das würde gerade alle jene Menschen unterstützen, die bereit sind, langfristig auch in ihre Altersvorsorge zu investieren“, so Knill. Der internationale Vergleich (siehe Kasten) zeigt zudem, dass Österreich bei diesem Thema erheblichen Handlungsbedarf hat: „Mit der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren ohne Freigrenzen oder Reduktionen der Bemessungsgrundlage zählt Österreich zu einer Minderheit von Staaten. Innerhalb dieser Ländergruppe haben wir obendrein noch den dritthöchsten Steuersatz. Was Unterstützung für den privaten Vermögensaufbau betrifft, sind hier andere Staaten deutlich weiter", so Robert Ottel, Präsident des Aktienforums.
Ein weiterer Kapitalmarkt-Booster wartet beim Thema Klimaschutz. Steuerliche Anreize müssten auch jedem Klimaschützer ein Herzensanliegen sein, so IV-Präsident Knill: „Klimaschutz braucht Eigenkapital. Wir reden hier von Investitionen in Billionenhöhe. Das kann der öffentliche Sektor nicht allein stemmen“. Eine Begünstigung für Investments in innovative Unternehmen, die Klimalösungen entwickeln oder die Energiewende mit erneuerbaren Energien vorantreiben, wäre eine Win-Win-Win-Situation für Menschen, Klima und Standort. Die Regierung könnte durch eine KESt-Befreiung bei ökologischen Investitionen ein klimapolitisches Ausrufezeichen setzen, was sich grundsätzlich auch im Regierungsprogramm wiederfindet. „Richtig umgesetzt kann Green Finance ein wichtiger Baustein sein“, unterstreicht auch Ottel, der eine EU-weite praktikable Lösung fordert.
Was Unterstützung für den privaten Vermögensaufbau betrifft, sind hier andere Staaten deutlich weiter."
Neben diesen bereits kurz- und mittelfristig wirksamen Maßnahmen plädieren Industrie und Aktienforum für breite Wissensvermittlung in Sachen Finanz- und Wirtschaftsbildung. IV-Präsident Georg Knill: „Die Finanzstrategie des Finanzministeriums ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung, und zwar für alle Altersgruppen, von Jugendlichen bis zu den Erwachsenen. Dabei müssen Lehrmittel überarbeitet und mit finanzrelevanten Inhalten angereichert werden.“ Notwendig ist aus Sicht von IV und Aktienforum, Wirtschafts- und Finanzbildung in den Schullehrplänen bereits ab der Unterstufe oder Mittelschule stärker zu verankern. Außerdem soll beim nächsten PISA-Test auch das OECD-Financial-Literacy-Tool abgefragt werden. IV-Präsident Knill: „So sehen wir laufend: Wo steht Österreich aktuell – und wo sollte es in Zukunft stehen, wenn es darum geht, die Möglichkeiten eines modernen, attraktiven Kapitalmarktes optimal zu nutzen?“ Für Knill ist angesichts der Studienergebnisse klar: „Das Interesse der Menschen an Aktien, Anleihen und Investmentfonds steigt stark. Sie bei der Umsetzung durch Anreize nicht zu unterstützen, wäre unsozial – gerade in Zeiten niedriger Zinsen und hoher Inflation. Umso wichtiger ist, dass wir als Industrie auf Seite all derer sind, die die Chancen des Kapitalmarkts nutzen möchten."