Indien als neuer Partner für Fachkräfte und Handel

Für die EU ist der Markt mit 1,4 Milliarden Einwohnern aus mehreren Gründen spannend.

Tatsächlich erstarkt mit Indien eine wirtschaftliche Großmacht, die in Asien ein Gegengewicht zu China bildet. Die EU hat dies richtig erkannt und möchte die Gespräche zum EU-Indien-Handelsabkommen finalisieren sowie durch die neue EU-Initiative „Global Gateway“ eine stärkere Verbindung mit Indien erreichen. Mit einem Wachstum von durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr ist Indien eine rasant wachsende und mittlerweile die fünftgrößte Volkswirtschaft der Erde. Der Markt mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern ist für die EU derzeit der zehntgrößte Handelspartner, umgekehrt ist die EU der drittgrößte Exportmarkt für Indien.

„Für beide Seiten gibt es große Potenziale, aber für die europäische Industrie auch große Hürden, etwa bei hohen Zöllen für den Automobilsektor“, sagt Michael Löwy, Bereichsleiter Internationale Beziehungen und Märkte bei der IV. 2021 betrug das Warenhandelsvolumen zwischen beiden Seiten rund 88 Milliarden Euro; der Handelsumsatz zwischen Indien und Österreich liegt bei rund 2,15 Milliarden Euro. Mehr als 150 österreichische Unternehmen sind derzeit in Indien vertreten.

Wirtschaftsraum der Zukunft

Angesichts der geopolitischen Herausforderungen und des großen Potenzials im Handel hat die EU Mitte des vergangenen Jahres nach achtjähriger Pause die Verhandlungen über ein Abkommen wieder aufgenommen. „Bisher kommen die Gespräche eher schleppend voran – als größte Hürden gelten Indiens Schutzzollpolitik und unterschiedliche Ansichten in den Punkten Klima und Nachhaltigkeit“, erklärt Löwy. Zudem versucht die EU mit dem Projekt „Global Gateway“, die Zusammenarbeit zu stärken: Bis 2027 sollen bis zu 300 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte in Schwerpunktregionen investiert werden. Asien ist der Wirtschaftsraum der Zukunft und Europa sollte dort eine aktive Rolle einnehmen.

Nicht nur als Handelspartner wird Indien derzeit von europäischen Regierungschefs umgarnt: Deutschlands Kanzler Olaf Scholz warb Ende Februar auf einer Indienreise für Deutschland als Standort für IT-Fachkräfte, die dort dringend gebraucht würden. Vergangenes Jahr erteilte die Botschaft in Neu-Delhi nach eigenen Angaben rund 2.500 bis 3.000 Fachkräften ein Visum, darunter waren vor allem IT-Fachkräfte. Heuer soll die Zahl deutlich steigen – Deutsch gelernt werden könne später, betonte Scholz, denn in der IT sei Englisch ohnehin eine gängige Sprache.

800 RWR-Karten

Besagtes Anliegen haben auch andere europäische Länder in Indien. In Österreich entstehen im Bereich der Schlüsseltechnologien, wo IT eine wesentliche Rolle spielt, bis 2029 insgesamt 58.000 zusätzliche Arbeitsplätze, die durch die angespannte Situation am heimischen Arbeitsmarkt kaum besetzt werden können. In Indien ist die Bevölkerung vergleichsweise jung; für die vielen jungen IT-Fachkräfte gibt es im Inland aber kaum genug Arbeitsplätze.

Wie Deutschland versucht daher auch Österreich, ein entsprechendes Abkommen zu schließen. Außenminister Alexander Schallenberg und sein indischer Kollege Subrahmanyam Jaishankar hatten zu Jahresbeginn eine „Migrations- und Mobilitätspartnerschaft“ auf den Weg gebracht, die unter anderem einen Zielwert von 800 Rot-Weiß-Rot-Karten an Fachkräfte aus Indien vorsieht. Das Abkommen muss von beiden Seiten noch abgesegnet werden. „Dieses Abkommen zeigt klar, dass es bei allen Differenzen gelingen kann, Punkte zu finden, in denen beide Seiten von einer Partnerschaft profitieren“, sagt Löwy.

Dieser Text erschien zuerst in der Märzausgabe des Magazins "iv-positionen".