Wiener Börse-CEO: "Aktien schlagen langfristig alle anderen Anlageformen"

Christoph Boschan ist CEO der Wiener Börse und analysiert im Interview die Ergebnisse des Aktienbarometers 2023. 

Die Österreicher haben rund 40 Prozent ihres Vermögens auf Sparbüchern und Girokonten, wo es aufgrund der Inflation schmilzt. Rechnen Sie durch das Steigen der Sparzinsen mit einer Kehrtwende – zahlt sich Sparen wieder aus?

Christoph Boschan: Auch wenn das Sparbuch in Österreich derzeit noch die überwiegende Anlageform ist, so besitzen immerhin inzwischen 25 Prozent der Bevölkerung Wertpapiere – ein zunehmender Trend. Und die Bevölkerung liegt damit richtig, denn rein nach Rendite schlagen Aktien langfristig alle anderen Anlageformen. Man muss dafür aber kurzfristige Schwankungen aushalten. Aktien liegen im langfristigen Vergleich vor allen anderen Anlageformen wie dem Sparbuch, Immobilien, Lebensversicherungen, Gold und vielen mehr. Der Schlüssel zur weiteren Aktivierung von privatem Kapital ist oftmals Wissen, und hier sollte weiter zur Stärkung angesetzt werden.

Die Hajek-Erhebung zeigt, dass Österreich aufholt. In den USA ist Wertpapierbesitz bereits breit etabliert – jeder Zweite besitzt dort Wertpapiere. Was sind die historischen Gründe für diesen Unterschied?

Das Aktienbarometer 2023 zeigt tatsächlich eine Verbesserung der Investmentkultur hierzulande. Historisch betrachtet können in den USA mehrere Generationen auf enorme Anlageerfolge zurückblicken, und dies beeinflusst natürlich die Einstellung der Nachkommen zu diesem Thema. Das breite Sozialsystem hierzulande und die Unterschiede in der Altersvorsorge sorgen ebenfalls für unterschiedliche Notwendigkeit, am Kapitalmarkt aktiv zu werden. Zunehmend wird aber auch bei uns erkannt, dass ein selbstbewusstes Engagement am Kapitalmarkt lohnend ist.

Was sind die positivsten Effekte in Ländern mit sehr starken Kapitalmärkten und wo steht Österreich im internationalen Vergleich?

Länder mit starken Kapitalmärkten haben größeres und schnelleres Wachstum sowie einen stärkeren Hebel in Bezug auf die notwendige Transformation in die Wirtschaft der Zukunft. Für alle gesellschaftlichen Megathemen und Herausforderungen wie Innovation, alternde Gesellschaft, Klimawandel braucht es diesen Kapitalmarkt. Um den Hebel besser zu nutzen, muss der Kapitalmarkt aber entwickelt sein respektive werden. Österreich hat hier im internationalen Vergleich noch Potenzial.

In Österreich gibt es viele Unternehmen, die in ihrem Bereich bereits Weltmarktführer sind. Wie kann man diese an die Börse bringen?

Kein anderes Finanzierungsinstrument bietet Unternehmern so viel Kapital, Sichtbarkeit und sinnvolle Ordnung wie ein Börsengang. Neben der Stärkung der Eigenkapitalbasis und der Erhöhung der finanziellen Flexibilität werden die Unternehmen bekannter und zum Beispiel als Arbeitgeber und Lieferant attraktiver. Vorteile wie Wachstum, Innovation sowie Wettbewerbsfähigkeit sollten von den Unternehmen erkannt und die Chancen auch genutzt werden. Es gibt in Österreich eine Reihe an spannenden Kandidaten. Für das erfolgreiche Debüt an der Börse sind das richtige Marktumfeld und Zeitfenster sowie gute Vorbereitung entscheidend.

Welche politischen Maßnahmen würden den österreichischen Kapitalmarkt aus Ihrer Sicht weiterbringen?

Der Kapitalmarkt bietet wie bereits erwähnt Lösungen für viele gesellschaftliche Herausforderungen. Privates Kapital ist in Form von Spareinlagen in Milliardenhöhe vorhanden und stellt eine gute Grundlage für die Entwicklung einer starken Aktionärsbasis dar. Um das Kapital aber zu aktivieren, braucht es Anreize. Die Wiedereinführung einer Behaltefrist sowie der Ausbau der zweiten und dritten Säule der Pensionsvorsorge sind dabei wichtige Maßnahmen. Für börsennotierte Unternehmen ist außerdem eine stringente Orientierung an internationalen Standards in der Gesetzgebung relevant. Nicht zuletzt sind die Staatsbeteiligungen an der Börse ein Vorbild für die Schaffung von Wohlstand durch private Beteiligung. Die börsliche Dreifaltigkeit Kapital, Sichtbarkeit und Ordnung ist ein wahrer Heilsbringer.


Kommentar zum Thema von IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Mehr Details zum Aktienbarometer 2023 finden Sie hier

Dieses Interview erschien zuerst in der Märzausgabe des Magazins "iv-positionen".