„Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft frühzeitig suchen“

Markus Aspelmeyer beschäftigt sich mit fundamentalen Phänomenen der Quantenphysik. Im Interview spricht er über den neuen Exzellenzcluster Quantum Austria und darüber, wie Unternehmen dort andocken können. 

Professor Aspelmeyer, Sie forschen an Quantentechnologien. Woran arbeiten Sie gerade?

Tatsächlich sind mein Team und ich derzeit einer der großen offenen Fragen der modernen Physik auf der Spur: Wie passen Quantenphysik und Schwerkraft, also Gravitation, zusammen? Brauchen wir eine „Quantengravitation“ oder müssen wir, wie manche glauben, die Gesetze der Quantenphysik ändern? Das ist eine sehr grundlegende Problemstellung, die nur experimentell beantwortet werden kann. Dazu müssen wir auch messtechnisch in völlig neue Bereiche vordringen. Als Beispiel: Wir haben, um kleinste Gravitationskräfte zu messen, extra einen Sensor entwickelt, der Beschleunigungen 100 Milliarden Mal kleiner als die Erdbeschleunigung auflöst. Auch Technologien, die wir im Bereich der optomechanischen Quantensensorik mitentwickelt haben, kommen zum Einsatz. Bei uns erzeugen die experimentellen Herausforderungen der Grundlagenforschung die Notwendigkeit, bessere Messmethoden zu entwickeln.

Welche zukünftigen Anwendungen von Quantentechnologien sind aus Ihrer Sicht für unsere Leitbetriebe besonders interessant?

Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Das Spektrum der möglichen Anwendungen ist vielfältig; von der Sensorik über Kommunikation bis hin zu rechnergestützten Optimierungsmethoden. Die Frage ist: Welcher Anwendungsbereich passt zu den Kernkompetenzen und Geschäftsinteressen eines Unternehmens? Dazu kommt: Viele dieser Technologien sind gerade erst auf dem Sprung aus dem Labor heraus, manche noch in der forschungsgetriebenen Entwicklungsphase. Darin liegt aus meiner Sicht eine Chance: Wenn man hier frühzeitig den Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft etabliert, kann man bereits jetzt die Anforderungen des Marktes einfließen lassen und Anwendungen gezielt entwickeln.

Sie sind stellvertretender Leiter des Exzellenzclusters Quantum Austria, der im Sommer seinen Betrieb aufgenommen hat. Welche Angebote planen Sie für Unternehmen? Wo kann ein Leitbetrieb heute bereits andocken?

Der Exzellenzcluster bündelt die Kompetenz in der österreichischen Quantenforschung von insgesamt sechs Institutionen in Wien (Universität Wien, TU Wien), Klosterneuburg (IST Austria), Linz (JKU Linz), Innsbruck (Universität Innsbruck) sowie den Instituten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Synergien, die durch diese einmalige Zusammenarbeit entstehen, sollen neue Impulse für die Grundlagenforschung, für die Ausbildung und für Anwendungen setzen. Für Unternehmen wird es die Möglichkeit geben, bei Informationsveranstaltungen und gemeinsamen Science-Industry- Workshops proaktiv in den Dialog mit den Stakeholdern der Forschung einzutreten. Außerdem werden wir das Angebot zur Ausbildung auch auf Unternehmen ausdehnen, etwa in Form von Fortbildungen zum Thema Quantum Technologies. Im Wiener Raum haben wir durch das Vienna Center for Quantum Science (VCQ) bereits eine Anlaufstelle für interessierte Unternehmen geschaffen. Der Cluster wird diesen Herbst starten und damit eine zentrale Andockstelle in Österreich zur Verfügung stellen.

Womit sollte ein Unternehmen beginnen, das sich noch nicht mit Quantentechnologien beschäftigt hat? Wie kann hier der Exzellenzcluster helfen?

Ich würde damit beginnen, mit den jungen Leuten im Betrieb zu reden. An den Universitäten werden die Grundlagen und Möglichkeiten der Quantentechnologien bereits im Bachelor unterrichtet. Es würde mich nicht wundern, wenn vieles an Know-how bereits jetzt in den Unternehmen vorhanden ist. Der Exzellenzcluster wird dieses Programm durch gezielte Bachelor- und Masterkurse signifikant ausbauen. Dazu kommen die bereits erwähnten Angebote zum Dialog, die mit Start des Clusters schrittweise vorhanden sein werden.

Europa kann eine führende Rolle in der Quantentechnologie einnehmen und technologisch unabhängig sein. Was kann ein Industriebetrieb heute konkret dafür tun?

Wir sehen derzeit viel „Technology Push“, was wichtig ist. Für nachhaltige Wertschöpfung braucht es aber den „Market Pull“. Damit das erreicht wird, müssen Wissenschaft und Wirtschaft den Dialog suchen und ihn offen und konstant führen.

Foto: Markus Aspelmeyer

ZUR PERSON
Prof. Markus Aspelmeyer ist stv. Leiter des Exzellenzclusters Quantum Science Austria und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Quantenoptik und -information der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften (IQOQI). Seit 2009 ist er Professor für Physik an der Universität Wien. Prof. Aspelmeyer hat neben zahlreichen wissenschaftlichen Preisen auch zwei ERC-Förderungen erhalten.