Wie Österreich die Quantenrevolution vorantreibt

Quantentechnologie wird zum Hoffnungsträger für die Innovationskraft Europas. Österreich nimmt mit seiner Grundlagenforschung eine Vorreiterrolle ein und stärkt Europas Position auf der Weltbühne.

Die Welt befindet sich heute an der Schwelle einer technologischen Revolution. Wie viele andere Länder nimmt auch Österreich am globalen Wettrennen um die Quantentechnologien teil. Österreichs Stärke liegt dabei in der exzellenten Grundlagenforschung. Bereits vor 25 Jahren zeigte Anton Zeilinger, dass mittels Quantenverschränkung vertrauliche Nachrichten sicher übermittelt werden können. Albert Einstein bezeichnete dieses Phänomen 1930 als „spukhafte Fernwirkung“. Im Jahr 2022 erhielt Zeilinger für seine wegweisenden Experimente den Nobelpreis für Physik. Heute stellen Quantenphänomene wie etwa die Verschränkung das Fundament der Quantenkommunikation dar.

Datensouveränität

Österreich nimmt sowohl im Europa-Vergleich, als auch im weltweiten Vergleich eine starke Position in der Quantenkryptografie ein. So waren Forscherinnen und Forscher des AIT (Austrian Institute of Technology) von Anfang an an Zeilingers Versuchen beteiligt. „Wir entwickeln die technischen Ausrüstungen für die Quantenkryptographie sowie die nötige Software und organisieren große europäische Forschungsnetze“, sagt Martin Stierle, Leiter der AIT Competence Unit Security and Communication Technologies. Das AIT hat in den letzten 20 Jahren als wichtiger Akteur einen internationalen Ruf als Experte für terrestrische und satellitenbasierte Quantenkryptografie erlangt. Dabei ist es federführend an großen EU-Projekten beteiligt, wie auch am Quantum-Flagship-Programm der EU. Im Jahr 2016 kündigte die EU an, in den kommenden zehn Jahren rund eine Milliarde Euro für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Quantentechnologie zur Verfügung zu stellen. Ziel war es, Quantentechnologien aus dem Labor zur Marktreife zu bringen, sodass Europas Frontrunner-Position in der Quantenforschung gesichert wird. Im Rahmen des Flagship-Programms konnte das AIT als High-Tech-Lieferant für die EU in vielen Projekten mitwirken und diese, beispielsweise bei der Miniaturisierung der für die Quantenkommunikation nötigen Geräte oder beim Aufbau von Netzen zur sicheren quantenverschlüsselten Kommunikation, zum Erfolg begleiten.

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Zudem wurden im Rahmen des von dem AIT koordinierten EU-Projekts QCI-CAT, ein österreichisches Nationalprojekt der EUROQCI-Initiative der Europäischen Kommission, auch erste Pilot-Anwendungen in Österreich demonstriert. So wurden im Februar des Vorjahres ein gemeinsames Projekt von AIT und dem Klimaministerium (BMK) vorgestellt. Demonstriert wurde ein abhörsicheres Kommunikationssystem für Behörden, das quantenverschlüsselte Chats zwischen dem BMK und der AIT übertrug. Aktuell wird ein Demonstrationsnetzwerk, welches das Bundeskanzleramt mit drei Ministerien verbinden soll, eingerichtet. Für den Austausch von sensiblen Gesundheitsdaten soll zwischen den Medizinischen Universitäten Wien und Graz auch ein sicheres Kommunikationsnetz entwickelt werden.

Dass Quantentechnologien unseren Alltag sicherer machen und uns vor zukünftigen Sicherheitsbedrohungen schützen können, wurde auch im Rahmen eines weiteren AIT-Projektes bewiesen. Es besteht die Gefahr, dass das Kryptogramm von aktuellen Finanztransaktionen in Zukunft von Quantencomputern einfach geknackt werden kann. Daher hat das AIT gemeinsam mit weiteren Forscherinnen und Forschern aus Wien ein besonderes Verfahren der Quantenverschlüsselung (Quantum-Key-Distribution, QKD) für digitale Zahlungen entwickelt. Mit dem Ziel, die Transaktionsverläufe auch zukünftig vor Angriffen zu schützen und somit die Datensouveränität Europas zu steigern.

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Sicherheit durch Quantentechnologie

„Ich glaube, es ist heute wichtig, dieser Bedrohung ins Auge zu sehen und nicht so zu tun, wie wenn es sie nicht gäbe. Auch wenn der Zeitpunkt, wo diese Gefahr eintreffen wird, noch unbekannt ist“, sagt Thomas Mann, Chief Information Security Officer (CISO) bei Cancom. Die Quantenkryptografie und QKD seien daher einfache und wirksame Mittel, die Integrität von Daten zu schützen. „Viele Unternehmen, aber auch Behörden und Sicherheitsdienste, vertrauen auf diese Technologien, die unsere Kommunikationsketten bald unentschlüsselbar für Dritte machen könnten“, erklärt Mann weiter. Besonders in Gefahr seien gängige asymmetrische Verschlüsselungsverfahren. Sobald Quantencomputer Einzug in unser Alltag nehmen, ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis praktische Einsätze und damit auch Angriffe stattfinden könnten. Als Experte im Bereich der Quantum-Key-Distribution ist Cancom darauf spezialisiert, sichere Kommunikationssysteme für seine Kundinnen und Kunden anzubieten. Auch wenn die Netzwerktechnologie nicht aus Europa kommt, ist es laut Mann möglich, einen QKD Technologiestack mit europäischen Chips und Firmware über diese Basistechnologie zu bauen, der über Glasfaserverbindung einen sicheren und mittels QKD abhörsicheren Schlüsselaustausch ermöglicht. Vor allem im Bereich der kritischen Infrastruktur sowie im Militär gebe es etliche Anwendungsfelder.

„Man veredelt bestehende Kommunikationssysteme, indem der Schlüsselaustausch bei symmetrischen Verschlüsselungsverfahren zukünftig über quantenkryptographisch sichere Verfahren durchgeführt wird. Das Quantum Key Distribution Model ermöglicht somit derartig ausgestattete Kommunikationsnetze vor den Angriffen von Quantencomputern möglichst gut abzusichern“, sagt Mann. Somit werde der Wert der übertragenen Informationen von der technischen Einrichtung, über den sie übertragen und verarbeitet werden, entkoppelt.

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Quanten-Marathon für Quantencomputer

Um den aktuellen Vorsprung in der Grundlagenforschung nicht zu verlieren, ist es für Stefan Rohringer, Leiter des Infineon-Entwicklungszentrums in Graz, entscheidend, das Wissen über die Grundlagen mit der angewandten Forschung zu verknüpfen. „Wir nutzen unser Halbleiter-Know-how um Quantenchips zu entwickeln und vernetzen uns mit den besten Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft“, sagt Rohringer. Seit 2016 setzt sich Infineon mit der Frage der Industrialisierung dieser Technologien auseinander. Der Infineon-Standort in Villach spezialisiert sich auf die Quantenchip-Entwicklung mittels Ionenfallentechnologie, welche sich im Vergleich der Quantencomputer-Ansätze durch die höchsten Rechengüten, der sogenannte „Gate Fidelity“, auszeichnen. Dazu hat Infineon im Sommer 2022 ein neues Quanten-Testlabor in Villach eröffnet. Das Ziel ist es, die Forschung zu beschleunigen, indem die Test- und Lernzyklen reduziert werden. „Das ist ein globales Wettrennen, es ist ein Marathon, kein Sprint. Wenn wir als Infineon Technologies mitmachen, dann tun wir das, um zu gewinnen“, sagt Rössler, Leiter der Ionenfallen-Systementwicklung bei Infineon. Ihm sei aufgefallen, dass Europa anfangs im Wettrennen um Quantentechnologien etwas vorne gestartet sei, bislang aber etwas langsam losläuft. „Quantencomputing ist wahrscheinlich ein Winner-Takes-Most-Markt. Das heißt, vorne dran zu sein übersetzt sich in einen enormen Performancevorteil. Deshalb gilt da jetzt Geschwindigkeit über alles“, so Rössler.

Stärke Österreichs

Sowohl in Europa als auch in Österreich sind die Themen Zusammenarbeit und Kooperation bei Pilot-Projekten von großer Bedeutung. Vor allem die österreichische Quantenwelt profitiert besonders von der Flexibilität und Offenheit des Quanten-Ökosystems mit Partnern aus der Wissenschaft, der Industrie und Startups. „Wir haben in Österreich in der Art und Weise, wie wir vernetzt sind, eine sehr große Stärke. Die CISOs der großen österreichischen Unternehmen tauschen sich regelmäßig aus. Das ist eine kleine, aber sehr feine Community, die offen über die Herausforderungen miteinander spricht. Wir haben alle die gleichen Probleme“, sagt Thomas Mann. Durch diese Kommunikation sei man auch sehr schlagkräftig. „Wenn es einen Technologieansatz gibt, der funktioniert, spricht sich das ganz rasch herum und wird dann auch Einzug in die Unternehmen finden. Das ist die Stärke von Österreich“, erklärt Mann.

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Quantentechnologien einsetzen

Das Rennen um die erste Quantencomputer-Supermacht läuft noch. Universell einsetzbare Quantennetze und fehlerfreie Quantencomputer befinden sich noch in der Entwicklung. Inwieweit diese sich in die Realität umsetzen lassen, ist noch offen. Noch stehen Quantencomputer am Anfang. Die Frage ist auch, wie gut Österreich auf den praktischen Einsatz von Quantencomputer vorbereitet ist. „Ich sehe eine der großen Herausforderungen auch darin, dass wir in Österreich auf Forschungshotspots und die Umsetzung schauen sollten und gleichzeitig den Bedarf an Fachkräften mitdenken müssen“, sagt Rohringer. Die zentrale Frage dabei sei: „Wer wird die Quantencomputer programmieren? Wer kann das, lehrt und lernt das heute schon? Der Rest der Welt denkt bestimmt schon sehr genau darüber nach, welches Problem sie dem Quantencomputer als erste Aufgabe vorsetzen werden“, erklärt Rohringer. Probleme, die diese Rechenleistungen bräuchten, gebe es viele. Es genüge nicht, dass wir die Technologien entwickeln und zur Verfügung stellen. Wir sollten auch wissen, wie wir sie in Europa und Österreich nutzen könnten. „Das Rennen um die beste Technologie ist noch nicht vorbei. Das ist eine Stärke von Europa, denn die akademische Landschaft ist so breit und so vielseitig aufgestellt“, sagt Rössler.

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DIE WELT DER QUANTENTECHNOLOGIE

Quantentechnologien haben das Potenzial, in immer mehr Bereiche des täglichen Lebens Einzug zu halten. Sie revolutionieren bereits die Kommunikation, indem neue, sichere Verschlüsselungsmöglichkeiten eingesetzt werden, die Nachrichten vollständig abhörsicher machen.

Dabei folgt die Welt der Quantenmechanik nicht den Regeln der klassischen Physik. Das lässt sich auch durch die Funktionsweise von Quantencomputern beweisen. Diese arbeiten mit Qubits (Quantenbits), die die Grundbausteine der Quantentechnologie darstellen. Anders als klassische Bits, die entweder den Wert 0 oder 1 einnehmen, können Qubits beide Zustände gleichzeitig verkörpern. Dieses Prinzip der Quantenmechanik wird als “Superposition“ bezeichnet. Ganz im Gegenteil zur klassischen Physik, in der ein Bit oder ein Objekt zu einem bestimmten Zeitpunkt nur in einem einzigen Zustand (0 oder 1) existieren kann. Jedoch gilt die Superposition so lange, bis die Qubits gemessen werden. In die reale Welt würde sich das so übersetzen, dass eine Münze gleichzeitig Kopf und Zahl zeigt, solange niemand hinsieht und tatsächlich beide Zustände gleichzeitig verkörpert. Erst im Moment der Betrachtung nimmt die Münze einen bestimmten Zustand an (Zahl oder Kopf, aber nicht beide gleichzeitig). Dank der Superposition der Qubits kann ein Quantencomputer mehrere Rechenfragen gleichzeitig berücksichtigen, was die Rechenkapazität von Quantencomputern immens steigert. Herkömmliche Computer mit klassischen Bits wiederum können nur einzelne Rechenkombinationen nacheinander durchführen.

Ein weiteres besonderes Phänomen der Quantenmechanik ist die Verschränkung von Photonen und Elektronen. Sind zwei oder mehr Teilchen miteinander verschränkt, teilen sie die gemeinsamen Eigenschaften des verschränkten Mehrteilchensystems. Somit beeinflusst der Zustand eines Teilchens den Zustand des anderen, unabhängig von der Distanz zwischen den beiden. Jeder Versuch, die Information eines Teilchens auszulesen, verändert den Zustand des Gesamtsystems. Dieser Zusammenhang kann genutzt werden, um Daten über große Entfernungen hinweg sicher auszutauschen.

Hier kommen die Quantenkryptografie und Quantenschlüsselverteilung (Quantum-Key-Distribution, QKD) ins Spiel. Die Verschränkung eröffnet eine völlig neue Art der Verschlüsselung, die Nachrichten abhörsicher macht, indem zwei Parteien einen gemeinsamen, sicheren Schlüssel generieren. Jeder Versuch, die Kommunikation abzuhören oder zu manipulieren, verändert die übertragenen Daten. Die QKD erreicht so die höchste Form der Sicherheit, die als Schlüsselfaktor für die Quantenkommunikation gilt. „Der fundamentale Unterschied zur klassischen Kommunikation ist, dass die Informationsübertragung beweisbar und durch die Physik gesichert ist und nicht auf dem Vertrauen in technische Implementierungen basiert“, sagt Rössler, Leiter der Ionenfallen-Systementwicklung bei Infineon.