Forschung und Innovation als „wesentliche Triebkräfte“

Heinz Faßmann ist seit 2022 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und spricht im Interview über die Rolle der Grundlagenforschung und Möglichkeiten, Forschung und Innovation in Österreich und Europa zu stärken.

Was sind aus Ihrer Sicht als Präsident der Akademie der Wissenschaften wichtige Weichenstellungen für die FTI-Politik Österreichs?

Heinz Faßmann: In einem Land ohne nennenswerte Rohstoffe, aber mit hohen Löhnen, ausgebauten Sozialstandards und mit einer alternden Bevölkerung stellen Forschung und Innovation die wesentlichen Triebkräfte einer erfolgreichen Wirtschaft dar. Was sollte sonst den Erfolg auf den Märkten der Welt sicherstellen, als innovative Produkte, die besser sind als die der Konkurrenz? Daraus folgt ein klares Bekenntnis der Politik zu wachsenden Forschungsbudgets, aber auch zur langfristigen Absicherung derselben. Wir haben die 3 % Forschungsquote erreicht, wir sollten für die kommenden Jahre 4 % anvisieren; wir haben dreijährige Leistungsvereinbarungen erreicht, wir sollten diese um weitere drei Jahre erweitern. Wir können uns keine Zickzack-Politik leisten, wir brauchen Strategie und langfristige Planungssicherheit.

Was braucht eine strategische FTI-Politik in Europa und wie können wir Österreich auf europäischer Ebene positionieren?

Europa befindet sich im Wettkampf gegen die USA und China und verliert derzeit an Bevölkerung, Wirtschaftskraft und Innovationskapazität. Es ist daher richtig und wichtig, dass wir mit Horizon das weltweit größte Forschungsprogramm auflegen, und gleichzeitig ist es wichtig, die Mitgliedstaaten nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. So gut kann Horizon gar nicht dotiert werden, um das auszugleichen, was die Mitgliedstaaten verabsäumen. Vier Staaten in der EU übertreffen die Forschungsquote von 3 % des BIP, aber sieben Staaten liegen unter einem Prozent. Wenn wir Europa im globalen Wettbewerb stärken wollen, dann müssen wir alle mehr investieren, den Wettbewerb um Forschungsgelder stärken, teure Infrastrukturen gemeinsam betreiben und die Schrebergartenmentalität aufgeben.

Wir haben in der österreichischen FTI-Landschaft viele Akteure – wie können wir robuste und innovative Ökosysteme bauen und den Technologietransfer sowie Gründungen stärken?

Ich bin als Akademiepräsident Vertreter der Grundlagenforschung; wir forschen breit, unabhängig und ergebnisoffen. Forschende haben ein besseres Gefühl für gute Forschungsfragen als die ministerielle Bürokratie oder die politischen Berater. Mir ist trotz der Grundlagenorientierung der gesamte Forschungsbogen wichtig und ich lege Wert darauf, dass Forschung nicht zum Selbstzweck betrieben wird. Forschung muss auch vor dem Hintergrund der eingesetzten Steuergelder eine inhaltliche Legitimation erfahren: Wohin führt die Forschung, welcher gesellschaftliche Mehrwert wird damit erzielt, gibt es konkrete Anwendungsmöglichkeiten? Das sind Fragen, die wir intern immer wieder diskutieren. Die ÖAW ist übrigens jene außeruniversitäre Institution mit den meisten Spin-offs, und wenn wir unser Fächerspektrum berücksichtigen, auch jene mit den meisten ERCs.

Spitzenforschung findet in einem hochkompetitiven Umfeld statt. Welche Maßnahmen sind erforderlich, um für internationale Talente attraktiv zu sein und die besten Köpfe in Österreich zu halten?

Es ist nicht nur das Gehalt, das intellektuelle Umfeld, und es sind nicht nur die Kooperationen mit den Universitäten und den forschungsstarken Unternehmen und nicht nur die Lebensqualität in dieser Republik – es ist alles zusammen. Wir sind ein Forschungsland und wir arbeiten auch an der ÖAW täglich daran, die Attraktivität des Forschungslands zu verbessern und die Botschaft nach außen zu tragen.


NÄCHSTES EU-FORSCHUNGSRAHMENPROGRAMM AUS SICHT DER IV

Die Industriellenvereinigung hat ihre Positionen zum kommenden Forschungsrahmenprogram der EU vorgelegt. Der Input fließt in eine Gesamtpositionierung Österreichs.

Auf EU- und Mitgliedstaatenebene laufen die Debatten zu einem neuen EU-Forschungsrahmenprogramm immer intensiver. Die Empfehlungen der von der EU-Kommission eingesetzten High Level Expert Group zu FP10 werden demnächst veröffentlicht. Die IV hat ihre erste Positionierung eingebracht, die sie über die neu aufgesetzte IV-„EU Task Force FTI“ erarbeitet hat. Der Input der IV fließt in eine Gesamtpositionierung Österreichs, die durch das entsprechende Ressort des BMBWF koordiniert wird.

AUSGEWÄHLTE SCHLÜSSELPRIORITÄTEN DER IV FÜR DAS FP10:

  • Die IV fordert ein schlagkräftiges und von anderen Initiativen klar abgegrenztes Budget von mindestens 200 Mrd. Euro und eine Verdoppelung der derzeitigen Dotierung für Schlüsseltechnologien und industrielle Zukunftsbereiche.
  • Das EU-Forschungsrahmenprogramm stärkt nicht nur für Europa, sondern auch in Österreich exzellente europäische Spitzenforschung und transnationale Kollaboration und hat daher enorme strategische Relevanz. Dies stellt einen wichtigen Wettbewerbsvorteil für EU-FTI-Ökosysteme gegenüber globalen Mitbewerbern dar. Wie seine Vorgänger muss FP10 daher Bereiche für angewandte und transnationale kollaborative Forschung und Entwicklung stärken, die fast ausschließlich in der derzeitigen zweiten Säule des Programms stattfinden.
  • Öffentlich-private FTI-Partnerschaften sind zentral für die Umsetzung von strategisch-langfristigen F&E-Agenden und haben einen starken Hebel für die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien, für die Bewältigung globaler Herausforderungen und die Weiterentwicklung der Industrie. Sie sollten ein klarer Schwerpunkt von FP10 sein.
  • Es braucht einen stärkeren proaktiven Austausch mit der Industrie, nicht zuletzt aus strategischem Interesse für Europa. Um der hohen strategischen Bedeutung der kollaborativen Forschung und Entwicklung im FP gerecht zu werden, sollte ein industriegeführtes High-Level-Board für „Industrial Competitiveness and Technology Development“ für die zweite Säule des FP eingerichtet werden.
  • FP10 muss von einem ergebnisorientierten Ansatz und dem Kriterium der Exzellenz getragen werden.
Foto: IV

FÖRDERUNG VON MINT-REGIONEN AB 2025

MINT ist die Superkompetenz unserer Zeit. Sie ist nicht nur Grundvoraussetzung, um unsere immer komplexer werdende Welt verstehen zu können, sie eröffnet auch beste Karriereperspektiven und die Möglichkeit, die Lösungen für die großen gesellschaftlichen Probleme aktiv mitgestalten zu können. Um mehr junge Menschen für den naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu begeistern, bündeln Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Vereine und die kommunale Verwaltung seit 2023 ihre Kräfte in bereits 14 „MINT-Regionen“, einer Initiative, die von der IV gemeinsam mit dem BMBWF und in Kooperation mit der „MINTality“-Stiftung, dem OeAD und der aws ins Leben gerufen worden ist.

Nun wurde ein Fördercall für ausgezeichnete MINT-Regionen über eine Mio. Euro aus den Mitteln des Fonds Zukunft Österreich angekündigt, um ab 2025 kooperative MINT-Projekte mit Fokus auf Chancengleichheit zu unterstützen. Bereits jetzt und bis 20. Jänner 2025 ist die Bewerbung um das „MINT-Regionen“-Qualitätslabel möglich, das Voraussetzung für eine monetäre Projektförderung ist.

Weitere Informationen: www.mint-regionen.at.