Weichenstellung für die Zukunft

Der „Fahrplan der Industrie“ weist den Weg zu wichtigen wirtschaftspolitischen Stationen,die den Boden für den nächsten wirtschaftlichen Aufschwung bereiten.

Das dritte Quartal 2022 markiert den Beginn einer konjunkturellen Abwärtsspirale in der österreichischen Industrie – und derzeit ist kaum Licht am Horizont erkennbar, wie die jüngste Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung bestätigt. Die Bruttowertschöpfung lag im zweiten Quartal real um mehr als drei Prozent unter jener des vergleichbaren Zeitraums des Jahres 2023. Für die zweite Jahreshälfte rechnen Ökonomen bestenfalls mit einer Stagnation. „Die anstehende Nationalratswahl wird für Österreich zu einer Weichenstellung: Nehmen wir die richtigen Abzweigungen, führen uns die nächsten Stationen in den Aufschwung“, sagt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung. „Die gute Nachricht: Der richtige Fahrplan liegt am Tisch – jetzt geht es darum, sich möglichst schnell auf den Weg zu machen.“

Österreichs exportorientierter Industrie fehlt es derzeit an starken außenwirtschaftlichen Impulsen. Vom wichtigen deutschen Markt ist auf absehbare Zeit nicht mit solchen zu rechnen, aber auch aus Fernmärkten wie den USA oder China sind die Signale derzeit verhalten. Hinzu kommen stark gestiegene Kosten, die die Position am hart umkämpften Weltmarkt noch schwieriger gestalten: Die Lohnstückkosten sind im internationalen Vergleich zu hoch, die Energiepreise steigen wieder und die enorm gestiegenen Berichtspflichten haben die Bürokratie zu einem deutlich spürbaren Kostenfaktor werden lassen.

Keine neuen Steuern

Die erste Weiche, die gestellt werden muss, ist für die Industriellenvereinigung klar: ein sofortiger Stopp für neue Belastungen. „Die im Wahlkampf mehrfach gewälzten neuen Steuerideen müssen sofort vom Tisch“, fordert Knill. „Allein die Diskussion über neue Steuern auf Eigentum und die Wiederbelebung zu Recht abgeschaffter Steuern schadet dem Standort bereits enorm.“ Österreich hat bereits jetzt eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten und damit kein Einnahmenproblem. Dass das vorhandene Steuergeld besser eingesetzt werden kann, sehen auch breite Teile der Bevölkerung so: Eine Befragung von Peter Hajek im Auftrag der Industriellenvereinigung und des Aktienforums ergab, dass 82 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Ansicht sind, dass für die Finanzierung von Kindergärten und Pflege keine neuen Steuern notwendig sind.

Die nächste Station am Fahrplan Richtung Aufschwung und Zukunft sind aus Sicht der Industrie breite Entlastungsmaßnahmen. Die hohe Steuer- und Abgabenquote von 43,2 Prozent muss bis 2030 kontinuierlich auf 40 Prozent gesenkt werden. Eine der wichtigsten Stellschrauben sind für die IV die Lohnnebenkosten: „Eine Senkung der Lohnnebenkosten ist ein Win-win: Sie würde den hohen Kostendruck der Betriebe mildern und dafür sorgen, dass auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt“, so der IV-Präsident.

Strukturreformen

Neben diesen unmittelbaren Nachjustierungen im Steuersystem braucht es laut Knill auch mutige Strukturreformen, um die angespannte Budgetsituation nachhaltig zu entlasten. „Für keinen anderen Politikbereich wird mehr aus dem Bundesbudget zugeschossen wie für die Pensionen – es sind dafür vier Mal so viel Mittel vorgesehen wie für Wissenschaft und Forschung“, mahnt Knill. Kurzfristig brauche es dringend eine Anhebung der Untergrenze des Korridorpensionsalters; langfristig eine laufende Anpassung des Pensionssystems an die gestiegene Lebenserwartung. Zwei Drittel der OECD-Staaten haben bereits ein Nachhaltigkeitssystem implementiert.

Industrial Deal

Eine weitere Weichenstellung ist in Sachen Green Deal notwendig: „Umwelt- und Industriepolitik hängen eng zusammen, das scheint in den vergangenen Jahren vor allem auf EU-Ebene übersehen worden zu sein. Die Industrie versteht die grüne Transformation als enorme Chance und es ist uns bewusst, dass wir an einem der stärksten Hebel für die Umsetzung sitzen. Dafür braucht es aber die richtigen Rahmenbedingungen und keine einseitige, populistische Klimapolitik“, sagt Knill. Der Green Deal müsse neu gedacht werden und als technologieoffener, wettbewerbsfähiger Industrial Deal sowie als echter Wachstumsdeal gelebt werden.

Weniger Bürokratie

Um Berichts- und Meldepflichten für Unternehmen zu reduzieren, gibt es viele kleine Schrauben, an denen gedreht werden muss – „dabei geht es um Maßnahmen wie Einheitlichkeit bei der Auslegung der EU-Berichterstattung oder auch die Durchsetzung des Once-Only-Prinzips. Aber auch schon kleinere Schritte wie die Möglichkeit, die Unterlagen auf Englisch einzureichen, sei es zum Firmenbuch oder auch das Führen der Bücher und Aufzeichnungen im Bereich des Steuerrechts, wären eine wesentliche Erleichterung“, erklärt der IV-Präsident.

Dieser „Fahrplan der Industrie“ habe das Zeug dazu, Österreich aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage zu geleiten und den richtigen Rahmen zu schaffen, um kommende Wachstumsimpulse bestmöglich nutzen zu können. „Wenn es dann noch gelingt, die EU-Pläne zur Stärkung des Binnenmarkts umzusetzen und Partnerschaften mit dynamischen Wirtschaftsräumen in anderen Weltregionen umzusetzen, wäre der Boden für einen Aufschwung gut aufbereitet“, so Knill abschließend.