Mehr als fünf Monate musste Österreich geduldig auf eine neue Regierung warten – so lange wie noch nie. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Programm vieles sehr detailliert, manches allgemein, anderes wiederum unter Budgetvorbehalt angekündigt. Es ist also über weite Strecken ein Arbeitsprogramm. Bei allem Verständnis, dass zuerst das Budget saniert werden muss: Es muss mit gezielten Maßnahmen auch die sich mittlerweile im dritten Schrumpfjahr befindliche Wirtschaft angekurbelt werden. Denn eine prosperierende Wirtschaft ist die Basis für die Finanzierung des Sozialstaats und der notwendigen Zukunftsausgaben.
So gibt es erste positive Signale, jedoch noch keinen konkreten Plan für eine Reduktion bei den überbordenden Bürokratielasten. Eine Industriestrategie soll erst ausgearbeitet werden – die Industrie ist aber bereits im dritten Jahr einer Rezession und es gibt kaum Licht am Ende des Tunnels. Ein kurzfristiger Plan, wie die viel zu hohen Energiekosten gesenkt werden können, fehlt ebenso noch – die kommende deutsche Regierung ist da viel konkreter. Trotzdem wird die Verlängerung des Strompreiskostenausgleichs nur vage erwähnt, eine Senkung der Lohnnebenkosten passiert „unter Budgetvorbehalt“ frühestens 2027 und Freihandelsabkommen werden bestenfalls gestreift.
Dem gegenüber stehen neue Belastungen – und die Regierung hat hier auch gleich in ihrer ersten Woche Nägel mit Köpfen gemacht: Die Bankenabgabe wird deutlich erhöht – Geld, das für Investitionen fehlen wird. Energieunternehmen müssen Gewinne abgeben, die sonst in die Energiewende geflossen wären. Der Spitzensteuersatz wird verlängert – in einem Land mit einer der höchsten Belastungen von Einkommen. Und nicht zuletzt wird ein Teil der Abschaffung der kalten Progression zurückgenommen – eine versteckte Einkommensteuererhöhung.
Gerade in den Bereichen Energie, Arbeit und Investitionen bräuchte das Land aber wieder Zuversicht – jene Zuversicht, die das Regierungsprogramm in anderen Bereichen durchaus zu geben schafft; etwa durch die geplante Steigerung der Forschungsquote auf über vier Prozent des BIP bis 2030 oder die Sicherung der Forschungsprämie. Sehr positiv ist auch die geplante Qualitäts- und Ausbauoffensive in der Elementar- und Grundbildung, etwa durch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr.
Solche Signale muss es möglichst schnell auch in anderen Bereichen geben, um die Stimmung zu drehen. Österreich war einst ein wirtschaftliches Vorbild in Europa: Unser Standort war attraktiv, die Wettbewerbsfähigkeit wurde gestärkt, die Investitionen sind Jahr für Jahr gestiegen. Heute sieht die Realität anders aus: Unsere Industrieproduktion ist um 9,5 Prozent gesunken, die Exportquote ist von 62 Prozent auf 57 Prozent gefallen und wir stehen vor einem weiteren Rezessionsjahr. Ohne entschlossene Reformen riskieren wir unseren Wohlstand und die Finanzierung unseres Sozialstaats. Wir müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen, um alle (!) Weichen für das Land richtig zu stellen – und zwar rasch.
Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär