Standort Österreich unter Druck

Österreich verliert zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit. Hohe Arbeitskosten, Fachkräftemangel, steigende Energiepreise und überbordende Bürokratie bringen Unternehmen unter Druck. Sie pochen auf Reformen inder Steuer- und Wirtschaftspolitik, um den Standort zu stärken und globale Chancen zu nutzen. Ohne schnelle politische Maßnahmen, drohen Abwanderung, sinkende Investitionen und ein Verlust des Wohlstands.

Österreich ist zentrale Drehscheibe zwischen Ost und West, die Unternehmen Stabilität, moderne Infrastruktur und eine hochqualifizierte Belegschaft bietet. Über 76 Prozent des Stroms stammen bereits aus erneuerbaren Energien und bis 2030 soll das Land vollständig auf Ökostrom setzen. Mit 22 öffentlichen und 17 privaten Universitäten sowie mehr als 58.000 Absolventen pro Jahr zieht Österreich hochqualifizierte Talente an. Internationale Unternehmen beschäftigen fast 41 Prozent des F&E-Personals, und 2023 flossen 15,5 Milliarden Euro in Forschung. So präsentiert sich der Wirtschaftsstandort Österreich in einer Broschüre Investoren. Das klingt alles sehr vielversprechend, aber es ist schließlich der Auftrag der Austrian Business Agency, den Wirtschaftsstandort zu bewerben. In der Realität kämpft Österreich jedoch mit ernsthaften Problemen: Die Innovationskraft lässt nach, und der Wirtschaftsstandort verliert insgesamt an Wettbewerbsfähigkeit. Ohne schnelle politische Gegenmaßnahmen, gerät der Wohlstand des Landes in Gefahr.

Wettbewerbsfähigkeit im Sinkflug

Österreich fällt in mehreren internationalen Wettbewerbsrankings weiter zurück. Im IMD-Ranking 2024 rutschte das Land von Platz 24 auf 26, insbesondere bei Steuerpolitik (Platz 64) und wirtschaftlicher Performance (Absturz von Platz 22 auf 33), schnitt es schlecht ab. Das ZEW- sowie Deloitte-Radar 2023 zeigen ähnliche Ergebnisse: Österreich landet nur noch im Mittelfeld. Trotz guter Infrastruktur mangelt es an Innovationskraft und Ambitionen im globalen Wettbewerb. Während Länder wie Dänemark, die Schweiz und Schweden weit voraus sind, leidet Österreich unter versäumten Reformen, Rechtsunsicherheit und einer zunehmend ineffizienten Verwaltung. Die Politik steht unter Druck, rasch zu handeln, um den Wirtschaftsstandort wieder zu stärken. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria meint im Interview auf Seite 16: „Bleiben wir bei „business as usual“, riskieren wir in zehn Jahren weniger Investitionen und einen unattraktiveren Standort.“ Und das können wir uns nicht leisten, denn wenn Österreich im Standortwettbewerb nicht mithalten kann, drohen erhebliche Risiken. Unternehmen könnten abwandern oder erst gar nicht investieren, was zu einem Rückgang an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen führt. Weniger Innovation und fehlende Wettbewerbsfähigkeit würden das Wirtschaftswachstum bremsen und die Position des Landes auf internationalen Märkten schwächen. Dies hätte direkte Folgen für den Wohlstand und die Lebensqualität, da geringere staatliche Einnahmen wichtige Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Sozialsysteme gefährden könnten.

Richtung Asien und USA

Laut einer im März 2024 präsentierten Deloitte-Studie haben bereits 41 Prozent der österreichischen Unternehmen in den letzten drei Jahren Teile ihrer Wertschöpfungskette ins Ausland verlagert. Besonders betroffen sind kostenintensive Bereiche wie die Teilefertigung (40 Prozent), Produktionsbetriebe (38 Prozent) sowie Vormontage (32 Prozent). Während früher meist europäische Länder bevorzugt wurden, gewinnen nun Asien und die USA an Bedeutung. Hauptgründe für die Verlagerung sind hohe Arbeitskosten (78 Prozent), überbordende Bürokratie (66 Prozent), Energiesicherheit und -kosten (61 Prozent), sowie Steuern und Abgaben (63 Prozent) und der Mangel an Arbeitskräften (64 Prozent).

Palfinger: Kosten und Bürokratie bremsen Wachstum

Die Probleme sieht auch Andreas Klauser, CEO des weltweit führenden Produzenten und Anbieters von innovativen Kran- und Hebelösungen, Palfinger: „Die größten Herausforderungen sind die im internationalen Vergleich sehr hohen Kosten für Mitarbeitende sowie die ausufernden Regulierungen im Zusammenhang mit einer immer langsameren Bürokratie. Die Leistungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zweifellos ihr Geld wert. Nur sind die steuerlichen Belastungen und die Lohnnebenkosten ein Faktor, der uns im globalen Wettbewerb belastet. Das bedeutet, dass ein Mitarbeiteraufbau zur Erhöhung der Kapazitäten außerhalb Österreichs stattfinden wird.“ Das Unternehmen beschäftigt heute rund 12.650 Mitarbeiter an 30 Fertigungsstandorten und einem weltweiten Vertriebs- und Servicenetzwerk von rund 5.000 Stützpunkten. Dabei bleibt der Standort Österreich für Palfinger für die Produktion sowie Weiterentwicklung der Premiumprodukte von zentraler Bedeutung. Klauser: „Für Österreich, wie auch für Palfinger, gilt, dass Wissen die wichtigste Ressource darstellt. Die globale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich sicherzustellen ist aber die Aufgabe der Politik. Auch muss für ein richtiges Verhältnis zwischen Forschung, Entwicklung und Wertschöpfung in Österreich gesorgt werden.“ Es ist für Klauser klar, dass es dringend Veränderungen braucht: „Wir sind global nur wettbewerbsfähig, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn sich Leistung lohnt und Unternehmertum wieder als Stärke wahrgenommen wird."

Der Wunsch Klausers an die kommende Bundesregierung ist, dass sie den Mut hat, rasch umsetzbare Reformen anzugehen: „in der Steuerpolitik, in einer absehbaren Energiepolitik, in der Bürokratie aber auch in der Bildungspolitik.“

Treibacher: Chancen im Ausland, Herausforderungen in Österreich

Die Treibacher Industrie AG, ein Traditionsunternehmen der chemischen Industrie mit Sitz in Treibach, Kärnten, beschäftigt weltweit rund 900 Mitarbeiter und erzielte 2023 einen Umsatz von 637 Millionen Euro. Trotz der starken Position am Standort Österreich sieht das Unternehmen Herausforderungen auf sich zukommen. René Haberl, Vorstand der Treibacher Industrie AG, betont die Stärken des Standorts: „Österreich bietet eine hervorragende Infrastruktur, hochqualifizierte Arbeitskräfte und eine starke Innovationslandschaft.

Das sehen wir noch auf der ‚Haben‘-Seite.“ Doch auch für Treibacher ist klar, dass das Wachstum zunehmend außerhalb Europas stattfinden wird. „Wir haben eine hohe Exportquote, Europa ist dabei für uns seit jeher von zentraler Bedeutung. Andererseits ist klar, dass das Wachstum in den nächsten Jahren vor allem außerhalb Europas stattfinden wird. Auf diese Märkte mit höherer Dynamik, wie etwa Nordamerika und Ferner Osten, müssen wir stärker achten, unsere Kompetenzen werden weltweit geschätzt“, erklärt Treibacher-Vorstand Stefan Greimel. Neben den Chancen im Ausland, belasten die Energiepreise und hohen Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Greimel warnt: „Dieser Nachteil hat sich in den letzten Jahren verschärft, und Produktivitätssteigerungen reichen nicht mehr aus, um das auszugleichen.“ Auch bei der Treibacher Industrie AG sieht man dringenden politischen Handlungsbedarf. Haberl: „Wir erwarten eine klare Positionierung der Wirtschaftspolitik: Was wollen wir erreichen, wie genau setzen wir dies um? Dringend erforderlich ist eine Reduktion der Steuern und Abgaben auf Arbeit. Leistung und Vollzeitarbeit muss sich für die Menschen rentieren. Österreich muss auf die von der EU-Kommission angekündigte Verringerung der Berichtspflichten um 25 Prozent bestehen und das auch im nationalen Rahmen umsetzen.“

Welser Profile: Standortvorteile schwinden

Die Unternehmensgruppe Welser Profile, deren Geschichte bis ins Jahr 1664 zurückreicht, ist eines der ältesten Stahlunternehmen in Österreich. Mit rund 2.400 Mitarbeitern und einem Umsatz von 810 Millionen Euro im Jahr 2023 spielt das Unternehmen eine zentrale Rolle in der heimischen Wirtschaft. Doch trotz dieser tiefen Verwurzelung am Standort Österreich, gibt es auch bei Welser Profile wachsende Unzufriedenheit. Thomas Welser, CEO und Mitglied des Group Management Boards, kritisiert die aktuellen Rahmenbedingungen: „Es wird immer schwieriger, diese Standortvorteile zu finden, weil wir natürlich in der aktuellen Situation immer mehr mit Themen wie Fachkräftemangel, Kostensteigerungen, Bürokratismus, Gold Plating oder einer mangelnden Wirtschaftspolitik konfrontiert sind.“ Diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Komplexität, die das Unternehmen stark belastet.

Dennoch betont Welser die enge Verbundenheit zum Land: „Wir sprechen unserem Land eine Liebeserklärung aus, indem wir seit über 360 Jahren wirtschaftlich tätig sind. Wir kennen und schätzen Österreich, die Kultur und die Menschen.“ Diese Loyalität steht jedoch unter Druck, denn auch für Welser ist klar, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Er sieht in der Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem eine Schieflage, die sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene angegangen werden muss.

„Wir brauchen eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik, die klare Ziele verfolgt und ein starkes Profil für Österreich und Europa schafft,“ fordert Welser. Dabei appelliert er an die politische Landschaft, über parteipolitische Differenzen hinweg zusammenzuarbeiten: „Es ist entscheidend, dass wir die vorhandene Kritik in konstruktive Lösungen umwandeln und gemeinsam nach vorne blicken. Nur so können wir den Wohlstand, das soziale Miteinander und die ökologische Verantwortung sichern.“

Primetals fordert Innovation und Bürokratieabbau

Primetals Technologies, ein Unternehmen der Mitsubishi Heavy Industries Group, beschäftigt weltweit rund 7.800 Mitarbeiter, davon 1.700 am Linzer Standort. Das Unternehmen ist ein globaler Akteur in der Stahlindustrie und spezialisiert auf grüne Stahlproduktion, Automatisierung und Digitalisierung. Seit April 2024 leitet Karl Purkarthofer das Unternehmen. Er betont die Bedeutung der grünen Transformation: „Grüner Stahl ist die Zukunft. Unsere Technologien tragen entscheidend zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie bei.“ Linz, als größter Standort, fungiert dabei als Innovationszentrum und „Green-Steel-Kompetenzzentrum“. Purkarthofer sieht den Standort Oberösterreich als entscheidend für die Technologieentwicklung, mahnt aber auch zur Dringlichkeit. „Österreich muss schneller werden, besonders in Bereichen wie KI, Bürokratieabbau und Fachkräftemangel.“ Er fordert klare Rahmenbedingungen und staatliche Unterstützung für nachhaltige Industrie, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energie und Wasserstoff.