IV-Präs. Knill in ORF-„Pressestunde“

Energieintensive Industrie zielgenau entlasten – Kein abruptes Aus für russisches Gas – Belastungsstopp für Unternehmen nötig – Transformationsfonds für Unternehmen schaffen

„Wir erleben eine furchtbare humanitäre Katastrophe in Europa, die uns tief betroffen macht. Die Industrie trägt daher die bisher beschlossenen Sanktionen gegen die Russische Föderation mit. Wir müssen aber auch die Auswirkungen auf die heimischen Unternehmen und ihre Beschäftigten im Blick behalten. Die horrenden Energiepreise haben existenzbedrohende Ausmaße für Betriebe und ihre Beschäftigten angenommen, hier braucht es umgehend Entlastungsmaßnahmen“, betonte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, am heutigen Sonntag in der ORF-"Pressestunde"

Jetzt sei Rückenwind von der Politik gefordert. „Wir brauchen umgehend eine Strompreiskompensation. Dieses Instrument wird bereits in 13 anderen EU-Ländern angewendet und würde unsere energieintensiven Betriebe zielgerichtet unterstützen und eine Entlastung von rund 200 Mio. Euro bringen“, so Knill, der darauf verwies, dass es für die energieintensive Industrie in den bisherigen Energiepaketen keine ausreichenden Entlastungsmaßnahmen gegeben habe. Daher habe sich die Industrie mit einem gewendet und rasche Maßnahmen eingefordert. 

Knill sprach sich neben maßgeschneiderten Entlastungsmaßnahmen auch für einen Belastungsstopp für die Industrie aus: „Wir haben eine völlig neue Situation bei der Energieversorgung aufgrund der fundamentalen geopolitischen Entwicklungen. Mit weitreichenden Folgen für die Energieversorgungssicherheit in Österreich und Europa. Bevor wir nun Gesetze – wie Klimaschutz- oder Energieeffizienzgesetz – vorantreiben, müssen diese Auswirkungen vollständig geklärt sein.“ 

Der Krieg habe zudem deutlich gemacht, wie sehr Gas als wesentlicher Energieträger für die gesamte Wirtschaft in Österreich notwendig ist. Dabei stellte Knill klar, dass ein abrupter Stopp der Lieferungen, wie es vor dem jüngsten EU-Gipfel diskutiert worden war, „unverantwortlich“ wäre. „Ein Gasembargo wäre fatal und würde eine Kettenreaktion auslösen. Das würde die österreichische und europäische Industrie in kürzester Zeit zum Stillstand bringen und muss jedenfalls vermieden werden. Dann stünde unsere Versorgungssicherheit auf dem Spiel.“ Klar sei, dass Europa und Österreich von russischen Gaslieferungen unabhängiger werden müssen. 

„Um das zu erreichen, müssen wir quasi einen Triathlon laufen. Drei Mal schneller und drei Mal weiter als für den bisher geplanten Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2030“, so Knill. Für mehr Diversifikation der Energieträger brauche es Energiepartnerschaften mit anderen Ländern. Mittel- bis Langfristig werde die grüne Transformation weiter entscheidend bleiben. „Wir unterstützen diese Transformation, die Industrie ist der Treiber, um bestehende Klimaschutzziele zu erreichen“, so Knill, der hier aber ein klares Bekenntnis der Politik einfordert. 

„Die Politik muss ins Tun kommen, wir brauchen den Startschuss für dieses ausgesprochen ehrgeizige Projekt“, erklärte der IV-Präsident, der sich einmal mehr für deutlich raschere Genehmigungsverfahren aussprach. „Wenn wir bis 2030 100 Prozent des elektrischen Stroms aus erneuerbarer Energie beziehen wollen, dann muss der Startschuss jetzt abgegeben werden.“ Zudem müsse die energieintensive Industrie auf dem Weg in Richtung Dekarbonisierung begleitet und unterstützt werden. Die Industrie spricht sich daher für einen Transformationsfonds aus, der Betriebe beim Ausstieg aus der fossilen Energie unterstützen soll. 

Angesprochen auf die hohe Inflation warnte der IV-Präsident vor einer Lohn-Preis-Spirale. „Das kann keiner wollen. Jetzt braucht es einerseits Entlastungspakete, die kostendämpfend wirken und andererseits Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken.“  Mit Blick auf den Fachkräftemangel plädierte Knill zudem dafür, dass gut ausgebildete Flüchtlinge aus der Ukraine schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Allerdings gab er zu bedenken, dass Fähigkeiten und Kenntnisse der Menschen, die in den vergangenen Tagen nach Österreich gekommen sind, noch nicht ausreichend erfasst seien. 

Massive Herausforderung bleibe der Fachkräftemangel insgesamt, wie aktuell 200.000 offene Stellen belegen würden. Zudem würden viele Betriebe über zu wenige Bewerberinnen und Bewerber für Lehrstellen klagen. Problem sei hier die Ausstiegsklausel wegen der Pandemie gewesen, Jugendliche wären eher in den Schulen geblieben als in die Lehre zu wechseln. 

Bei der Corona-Pandemie bemängelte der IV-Präsident „fehlendes Krisenmanagement seit zwei Jahren in den Gesundheitsbehörden. Wir haben es in der Industrie mit viel Aufwand geschafft, Schutz und Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten. Allerdings haben viele Menschen mittlerweile den Überblick verloren, welche Regeln gültig sind. Über den Sommer muss Klarheit geschaffen werden. Hier brauchen wir klare und einheitliche Regeln in Österreich“, so Knill abschließend. 

TV-Tipp:

Die ORF-„Pressestunde“ mit IV-Präsident Georg Knill zum Nachschauen finden Sie hier.