Industrie fordert mit „NeuStartStaat“ neue Impulse für Wirtschaftsstandort Österreich

Wirtschaftliche Lage ist alarmierend: „Es ist Feuer am Dach“ – IV fordert Entlastung bei Kosten, Bürokratieabbau und Investitionsimpulse

13.11.2024

„Die jüngsten Entwicklungen sind besorgniserregend und sollten die Alarmglocken schrillen lassen - trotz deutlicher Reallohnzuwächse hat Österreich in den letzten fünf Jahren an Wohlstand verloren, kurz gesagt: es ist Feuer am Dach“, warnt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, angesichts der anhaltenden und hartnäckigen Rezession im produzierenden Sektor, der wirtschaftspolitischen Herausforderungen, der geopolitischen Verschiebungen sowie den bevorstehenden Verhandlungen rund um eine neue Bundesregierung. „Trotz „Zuckerlkoalition“ geht es aber jetzt nicht darum Süßigkeiten zu verteilen, die vielleicht kurzfristig populär sind, aber keine nachhaltige Basis schaffen“, betont Knill mit Blick auf die budgetäre Situation Österreichs.

Vor diesem Hintergrund dieser Herausforderungen hat die Industriellenvereinigung (IV) im Rahmen einer Pressekonferenz ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgestellt. Unter dem Motto „NeuStartStaat“ präsentierten IV-Präsident Georg Knill, IV-Vizepräsident F. Peter Mitterbauer und IV-Chefökonom Christian Helmenstein klare Forderungen, um den Industrie- und Wirtschaftsstandort Österreich wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Konjunkturimpulse bleiben aktuell aus

„Das Fundament der österreichischen Wirtschaft war traditionell ein dynamischer Konjunkturzyklus, angestoßen durch einen außenwirtschaftlichen Impuls und getragen durch eine starke Export- und Investitionskomponente. In den letzten Jahren ist dieses Erfolgsmodell ins Stocken geraten. Während derzeit 60 und im kommenden Jahr sogar 72 Volkswirtschaften mit über 4 % wachsen, kann Österreich kaum Vorteile aus diesen Wachstumsimpulsen ziehen“, warnt Knill und fordert: „wir müssen dieser negativen Entwicklung dringend ein Ende setzen, das Feuer löschen und rasch mit dem Wiederaufbau starten“. Hauptfaktor für die dramatische Lage sind die stark gestiegenen Preise für Arbeit, Energie und Bürokratie. „Der Standort ist preislich nicht wettbewerbsfähig, was dazu führt, dass die Marktanteile Österreichs auf den Weltmärkten stetig schrumpfen“, betont auch F. Peter Mitterbauer, IV-Vizepräsident.

„Andere erhoffte Expansionsträger wie Investitionen und Konsum bleiben vorerst ebenfalls aus. Die Ertragssituation ist derzeit so angespannt, dass unter diesen Rahmenbedingungen ein investitionsgetragener Aufschwung nicht zu erwarten ist. Auch der Konsum bleibt vorerst schwach: Trotz eines absehbaren Reallohnzuwachses von 6,5 % in den Jahren 2024 und 2025 verharrt der private Konsum in Agonie“, erklärt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. „Es braucht nun einen disruptiven, fiskalischen Kurswechsel für Österreich, um die Maastricht-Kriterien einhalten zu können und in weiterer Folge Wachstumsimpulse zu setzen,“ so Knill. „Die nächste Bundesregierung steht vor enormen konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen, die es dringend zu adressieren gilt“, ergänzt Mitterbauer.

Die Industriellenvereinigung hat vor dem Hintergrund der aktuellen Regierungsverhandlungen ein Reformpaket ausgearbeitet, das die strukturellen Defizite behandelt und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wiederherstellen soll.

Die Maßnahmen zielen darauf ab, sowohl kurzfristige Impulse als auch langfristige Stabilität zu schaffen:

Impulse für Export setzen: Kosten senken und Bürokratie abbauen

Die österreichische Exportwirtschaft leidet aktuell an zu hohen Kosten für Bürokratie, Energie und Arbeit, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen maßgeblich beeinträchtigen. Daher braucht es eine drastische Senkung dieser Kosten auf ein marktgerechtes Niveau, um die Exportnachfrage nach heimischen Produkten zu stärken und den Konjunkturzyklus anzustoßen. Neue Impulse sollen auch durch faire Handelsabkommen geschaffen werden. „Unsere Wirtschaft ist sehr stark exportorientiert. Mit einer Exportquote von 60 Prozent sichern wir 1,2 Millionen Arbeitsplätze. 80% dieser Produkte wurden innerhalb Europas geliefert. Es besteht noch Potential, insbesondere in Bezug auf Exporte zu Drittstaaten - das müssen wir dringend nutzen“, betont Knill und meint weiter: „aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten sollte Europa seine eigene proaktive Handelspolitik weiter forcieren, Hierzu braucht es weitere gut gemachte EU-Handelsabkommen wie u.a. mit Indien, Mexiko und insbesondere Mercosur. Auch die Gespräche zur Gestaltung der transatlantischen Beziehungen sollten wieder aufgenommen werden.“

Investitionen fördern und Anreize schaffen

„Angesichts steigender Produktionskosten und des Fachkräftemangels ist es notwendig, gezielt und in die Wettbewerbsfähigkeit investieren. Wir brauchen eine starke FTI-Politik, um Wohlstand und Resilienz für Österreich und Europa zu sichern“, erklärt Knill. Durch stärkere Investitionen wird ein Umfeld geschaffen, das nachhaltiges Wachstum und Innovationen ermöglicht, was wiederum zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit führt. Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur bilden die Grundlage für langfristiges Wachstum. Es braucht daher eine Erhöhung der F&E-Quote auf 4 Prozent des BIP, vorzeitige Abschreibungsmöglichkeiten und einen gezielten Einsatz der Investitionsprämie von 14 %.

Beschäftigung stärken und Arbeitsanreize schaffen

Mehr Arbeitsplätze und eine höhere Beschäftigung führen zu einer Ausweitung der Lohnsumme, was die Kaufkraft der Bevölkerung und damit den heimischen Markt stärkt. Nun braucht es dringend die Einführung von Anreizen zur Steigerung der Arbeitszeit, wie beispielsweise die Schaffung eines Vollzeit-Bonus oder die Streichung leistungsfeindlicher Steuer- und Transfergestaltungen. „Österreich hat eine der höchsten Abgabenquoten auf Arbeit weltweit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen rund 46,8% an Abgaben. Österreich liegt bei der Belastung des Faktors Arbeit an 3. Stelle im OECD-Schnitt, der größte Anteil der Belastung ist auf die sogenannten Lohnnebenkosten zurückzuführen“, so der IV-Präsident.

Konsum fördern und Kaufkraft stärken

Trotz Reallohnzuwächsen bleibt der private Konsum aufgrund von Konsumzurückhaltung und Vorsichtssparen schwach. „Für einen Aufschwung ist es entscheidend, dass die Staatsausgaben sinnvoll gesteuert werden, um das Vertrauen der Menschen in die Staatsfinanzen zurückzugewinnen und den Konsum im Land zu unterstützen; Staatsausgaben sinnvoll steuern und öffentliche Investitionen sichern“, erklärt Mitterbauer und sagt weiter, „Auch die Rückgänge in der Baubranche sind deutlich spürbar - hier müssen weitere Maßnahmen zur Ankurbelung des privaten, wie gemeinnützigen Hochbaus angedacht werden.“

Staatsausgaben sinnvoll steuern und öffentliche Investitionen sichern

Die aktuell hohe Staatsverschuldung und steigende Sozialausgaben gefährden die Stabilität der Staatsfinanzen. Um diese wieder in den Griff zu bekommen, braucht es nachhaltige Reformen des Arbeitsmarkts, im Bereich der Bürokratie, sowie im Gesundheits- und Pensionssystem. „Größte Baustelle ist dabei das Pensionssystem, aktuell verbaut es den nächsten Generationen die Zukunft. Bis 2050 wird unser Pensionssystem das Budget kumuliert mit einer Billion Euro belasten, wenn wir keine Reformen durchführen - Geld, dass wir in Bildung, Infrastruktur und unsere Innovationskraft investieren könnten“, so Mitterbauer.